Definition der Arten nach ihren Bestäubern sinnvoll?

Begonnen von walter b., 27.Feb.13 um 23:35 Uhr

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Berthold

Zitat von: walter b. am 18.Jun.18 um 19:15 Uhr
Ohne Beschreibungen sehen diese ganzen Hummeln ziemlich gleich aus, ich frage mich zum Beispiel nach dem Unterschied zwischen O. cinnabarina und gracilis. Irgendwie verschwimmen bei der Betrachtung die Merkmale...

Aber wie sagt doch Dr. Paulus: wir erkennen die Unterschiede zwischen den Arten nicht immer, aber die Bienen schon.
Insofern werden die Arten wohl auch unterschiedliche Bestäuber anlocken

Viele Grüße
Walter

Warum müssen es denn unbedingt unterschiedlicher Arten sein, wenn Ophrys holosericera an verschiedenen Orten von unterschiedlichen Insekten bestäubt werden?
Da reicht es doch wohl auch, verschiedene Unterarten, Variationen oder sogar nur Sippen zu definieren.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

sokol

Zitat von: Berthold am 19.Jun.18 um 10:51 Uhr
Warum müssen es denn unbedingt unterschiedlicher Arten sein, wenn Ophrys holosericera an verschiedenen Orten von unterschiedlichen Insekten bestäubt werden?
Da reicht es doch wohl auch, verschiedene Unterarten, Variationen oder sogar nur Sippen zu definieren.

Ich zitiere:

Der Artrang wird für solche Sippen verwendet, die durch eine Barriere von den nächstverwandten Arten abgetrennt sind und sich in der Regel auch bei gemeinsamen Vorkommen nicht mehr mit diesen vermischen (frei nach Sundermann).

Als Unterarten werden Sippen betrachtet, die durch eine Barriere (zeitlich, geografisch, geologisch) von der Nominatsippe getrennt sind. Treffen sich zwei Unterarten, vermischen sie sich bzw. bilden häufig Übergangsformen.

Als Varietäten werden abweichende Formen betrachtet, die normalerweise als Einzelpflanzen in Populationen normaler Pflanzen dieser Art vorkommen.

Folglich gilt bei Ophrys: eigener Bestäuber = eigene Art.
LG Stefan

Berthold

Zitat von: sokol am 19.Jun.18 um 13:10 Uhr
Als Unterarten werden Sippen betrachtet, die durch eine Barriere (zeitlich, geografisch, geologisch) von der Nominatsippe getrennt sind. Treffen sich zwei Unterarten, vermischen sie sich bzw. bilden häufig Übergangsformen.
...
Folglich gilt bei Ophrys: eigener Bestäuber = eigene Art.

Ich wette, dass sich diese "Arten", die nur durch den Bestäuber getrennt werden, beliebig vermischen und Übergangsformen bilden, wenn man sie an den selben Ort pflanzen würde.
Ich denke, dass sie an verschiedenen Orten ihre Pheromon-Cocktails geringfügig an die Insekten des anderen Ortes angepasst haben.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

walter b.

Das sollte eben gerade durch die Attraktion für unterschiedlichen Bestäuber nicht passieren. Für die falschen Bestäuber sind die Blüten meist total unattraktiv. Sonst käme es ja auch laufend zur Hybridisierung der verschiedenn Bienenarten...

Berthold

Zitat von: walter b. am 19.Jun.18 um 15:01 Uhr
Das sollte eben gerade durch die Attraktion für unterschiedlichen Bestäuber nicht passieren.

Ja, das ist jetzt ein quantitatives Problem. Ich vermute aber, dass die Bestäuber garnicht so stark spezifisch wählerisch sind.
Es gibt Untersuchungen (hier im Forum auch beschrieben), dass die Bestäuber leicht abweichende Hormoncocktails sogar bevorzugen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

walter b.

Leicht abweichend ja, es gibt ja auch unterschiedliche Gerüche bei unterschiedlichen Menschen.
Doch ob die Düfte die die Männchen einer bestimmte Art anlocken sollen auf Männchen einer anderen Art ausreichend wirken um sie nicht nur abzulenken bzw. kurz anzulocken sondern auch so in den zu Bann zu ziehen dass es zu einer ausreichend intensiven Pseudokopulation und damit einer Pollenentnahme bzw. Bestäubung kommt, ist die Frage. Diese Vorgänge sind ja nicht ganz unkomplex.

Und wie gesagt, die Bienen werden in der Natur wohl auch nicht kreuzen, das ginge ja auch am eigentlichen Ziel vorbei...

Berthold

Zitat von: walter b. am 19.Jun.18 um 16:06 Uhr

Doch ob die Düfte die die Männchen einer bestimmte Art anlocken sollen auf Männchen einer anderen Art ausreichend wirken um sie nicht nur abzulenken bzw. kurz anzulocken sondern auch so in den zu Bann zu ziehen dass es zu einer ausreichend intensiven Pseudokopulation und damit einer Pollenentnahme bzw. Bestäubung kommt, ist die Frage. Diese Vorgänge sind ja nicht ganz unkomplex.


Ja, das ist genau die richtige Frage. Ich kann es nicht bestätigen, würde es aber auch in Einzelfällen nicht ausschliessen wollen. Aber wenn dem so ist, bilden sich langfristig keine stabilen separierbare Arten aus.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

walter b.

Eine weitere Frage wäre wohl, ob die Bastarde fertil sind. Das würde die Bildung von Bastardschwärmen oder neuer Arten verunmöglichen.
Oft sind ja die Nachkommen aus der Kreuzung nahe verwandter Arten unfruchtbar, siehe Maultier/Muli.

Berthold

Zitat von: walter b. am 19.Jun.18 um 17:12 Uhr
Eine weitere Frage wäre wohl, ob die Bastarde fertil sind. Das würde die Bildung von Bastardschwärmen oder neuer Arten verunmöglichen.


Ja, natürlich, das würde Klarheit bringen.
Ich gehe aber davon aus, dass sich Ophrys im Allgemeinen gut kreuzen lassen und auch wieder vertile Samen produzieren. So gibt es inzwischen an verschiedenen Stellen in der deutschen Natur grössere Hybridenschwärme, wohl beginnend in der DDR in den 70ger Jahren durch botanische Tests.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

sokol

Ich denke hier gibt es grundsätzlich kein "entweder" / "oder", sondern beides. Es gibt nachweislich hybridogen entstandene Ophrysarten und es gibt vom Duftbuquet eindeutig getrennte Ophrysarten. Paulus testet immer nicht nur den richtigen Bestäuber sondern schließt auch die falschen aus. Dabei ist fast immer festzustellen, dass die falschen Bestäuber kaum auf der Blüte landen, sondern meist vorher merken, dass es die falsche Art ist.

Ophryshybriden sind überwiegend auf menschliche Bestäuber zurückzuführen. In wenig oder gar nicht besuchten Gegenden findet man sehr selten Hybriden, in häufig besuchten Gebieten dafür viel mehr. Beim letzten Italienbesuch ist mir genau eine Ophrys-Hybride untergekommen.
LG Stefan

Berthold

Zitat von: sokol am 20.Jun.18 um 12:28 Uhr
Ophryshybriden sind überwiegend auf menschliche Bestäuber zurückzuführen. In wenig oder gar nicht besuchten Gegenden findet man sehr selten Hybriden, in häufig besuchten Gebieten dafür viel mehr. Beim letzten Italienbesuch ist mir genau eine Ophrys-Hybride untergekommen.

Das glaube ich nicht. Der Mensch wird mal die ein oder andere Hybride erzeugt oder ausgesetzt haben. Aber er wird nicht die Hybriden-Schwärme von vielen Einzel-Pflanzen erzeugt haben können. Da muss er Helfer aus der Natur gehabt haben. Die Hybridenschwärme sind nicht nur aus selbstbestäubenden Arten entstanden.

Meine These: In Zentraleuropa haben sich möglicherweise die Klimabedingen stärker geändert als in Italien. Dann erscheinen andere Insekten, die andere Vorlieben bei der Ophrys-Bestäubung besitzen und dadurch Hybriden erzeugen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

walter b.

In Mitteleuropa haben sich die klimatischen Bedingungen stärker verändert als an anderen stellen dieser Erde, wir haben bereits einen Anstieg des Jahresmittels von zwei Grad oder darüber, soweit mag Deine These stimmen.
Nur wenn aus Italien eine Biene einwandert deren Männchen von z.B. der Spinnenragwurz angezogen werden, wird diese z.B. eine Hummelragwurz immer noch unattraktiv finden.

Zu Punkt 1: Wenn Du bedenkst wie viele Samen in einer Kapsel enthalten sind, dürfte es leicht vorzustellen sein dass ein Hybridenschwarm auch aus mehreren Einzelpflanzen durchaus von einer Mutter abstammen kann. Diese können genauso schnell wieder verschwinden, meist geht es ja um Momentaufnahmen...

sokol

Zitat von: walter b. am 20.Jun.18 um 14:07 Uhr
Nur wenn aus Italien eine Biene einwandert deren Männchen von z.B. der Spinnenragwurz angezogen werden, wird diese z.B. eine Hummelragwurz immer noch unattraktiv finden.

so ist es.

Zitat von: walter b. am 20.Jun.18 um 14:07 Uhr
Zu Punkt 1: Wenn Du bedenkst wie viele Samen in einer Kapsel enthalten sind, dürfte es leicht vorzustellen sein dass ein Hybridenschwarm auch aus mehreren Einzelpflanzen durchaus von einer Mutter abstammen kann. Diese können genauso schnell wieder verschwinden, meist geht es ja um Momentaufnahmen...

Genau das wollte ich auch schreiben.
LG Stefan

Berthold

Diese Hybridenschwärme existieren aber in der Ex-DDR  schon viele Jahrzehnte, also über mehrere Ophrys-Generationen.
Da müssen also viele Pflanzen beteiligt sein und nicht nur eine zufällig handbestäubte Pflanze.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

walter b.

ZitatGenau das wollte ich auch schreiben.

Gimme five!