Können Pflanzen organische Moleküle aufnehmen?

Begonnen von Berthold, 01.Apr.13 um 23:31 Uhr

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Berthold

In diesem Punkt ist sich die Wissenschaft nicht ganz einig.

Grundsätzlich können Pflanzen keine organischen Moleküle aufnehmen, sondern nur anorganische Moleküle und Ionen. Sie müssen sich dann aus Wasser, CO2, Stickstoff usw. mit Licht als Energiequelle alle organischen Komponenten intern selber zusammen basteln.
Die organischen Moleküle sind zu dick und passen nicht durch die Löcher in den Hautmembranen der Pflanzen.

Aber es gibt wie immer im Leben Ausnahmen. So können und müssen Orchideen-Protokorme bekanntermassen Zucker aus dem Nährmedium aufnehmen, um ihn dann intern weiter aufzubauen in Richtung Stärke und viele andere leckere Substanzen.

Auch gibt es systemisch wirkende Pestizide, von denen organische Insektengifte wie z. B. Triazole, Benzimidazole und Morpholine von der Pflanze aufgenommen und im Pflanzenkörper verteilt werden. Die Aufnahme erfolgt nicht nur über die Blätter, sondern in Einzelfällen auch über die Wurzeln. 
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Matthias

Berthold, die Molekülgröße spielt nicht die wesentliche Rolle. Wenn du von den Ionenkanälen schreibst, so stimmt das schon, diese sind selektiv. Die Aufnahme von größeren Partikeln erfolgt durch Internalisation, was so viel bedeutet, sie werden - größtenteils über Rezeptoren - an der Zellaußenwand der Lipidmembran (korrekter ist es eine Bilipidmembran) angelagert. Und dann erfolgt eine Einstülpung der Membran, was dazu führt, dass die größeren Partikeln dann intrazellulär (zumeist inkl. ihres Rezeptors) in Vakuolen vorliegen, die einst Teil der Zellmembran waren. Viel interessanter als was dann mit dem Liganden passiert, ist die Frage des weiteren Verbleibs des Rezeptors. Manchmal wird dieser selbständig wieder an die Lipidmembran zurückgestellt, mehrheitlich ist es allerdings notwendig, dass der Rezeptor neu synthetisiert werden muss, was klarlegt, warum ein Überangebot an gewissen Stoffen ...
a) gar nicht aufgenommen werden kann
oder
b) auf die Dauer zu einer Downregulation der Rezeptordichte führt.

Soviel kann ich beitragen.
guats Nächtle,
m
Forscher haben herausgefunden ... und sind dann doch wieder hineingegangen.

Ahriman

#2
Also ich weiß nicht - eine Ausnahme stellt die Aufnahme org. Moleküle nun wirklich nicht dar.
Die Oberflächen vom Pflanzen sind voll von Transportproteinen welche deren Aufnahme vermitteln, nicht nur in Wurzeln sondern auch auf Blättern.
Auch anorganische Moleküle und vor allem Ionen werden großteils nicht passiv durch Diffusion sondern durch aktiven Transport aufgenommen, sonst wäre die Aufnahme für die Pflanze viel zu schwer zu kontrollieren.

Ich habe für meine Caulathrons ja die Enzymkinetik für die Aufnahme organischer und anorganischer N-Quellen bestimmt, das läuft alles  über selektive (und hocheffiziente) Transportproteine.

Nicht zu unterschätzen ist der Einfluss von Mycorrhizae welche bei den meisten Pflanzen einen erheblichen Teil der Nährstoffaufnahme übernehmen - Pilzhyphen sind noch weit bessere Absorber als Pflanzenwurzeln.

Matthias, der von dir beschriebene Prozess ist auch faszinierend, spielt bei der Nährstoffaufnahme von Pflanzen aber kaum eine Rolle da so große Makromoleküle keinen wesentlichen Anteil am "Speiseplan" haben, da wird vorher alles enzymatisch zerkleinert und über Membrantunnelproteine geschleust. Das umgeht das von dir beschriebene Problem, da Transportproteine zwar sättigbar sind (also eine maximale Aufnahmerate haben), dafür müssen sie aber nicht ständig neu synthetisiert werden wie Rezeptoren. Für Stoffe die permanent in großer Menge aufgenommen werden müssen wäre der Rezeptorweg viel zu kostenintensiv, es sei denn man ist eine Amöbe oder Fresszelle die große Partikel schluckt und von denen eine Weile zehren kann.
Oder beim Transport von Stoffen zwischen verschiedenen Zellorganellen wo auch größere Stoffmengen auf einmal verschickt werden.

Matthias

danke, Christian, dass du da Klarheit hineinbringst.
lg
m
Forscher haben herausgefunden ... und sind dann doch wieder hineingegangen.

Machu Picchu

Wie werden denn systemische Wirkstoffe wie bei Fungiziden oder anderen Pestiziden in der Pflanze verteilt?

Selbst wenn sie nur über den Wasserstrom aus den Wurzeln in den Spross verteilt werden, müssen sie ja zuerst aufgenommen worden sein. Dies gilt ebenso für auf den Spross gespritzte Wirkstoffe.

Gibt es dazu gesicherte Angaben.
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Liebe Grüße
Hans

Ahriman

Eine interessante Frage auf die ich auf die Schnelle auch keine Antwort habe, gute Papers über den exakten Aufnahmeweg hab ich nicht gefunden.

Sieh mal hier für das systemische Insektizid Imidacloprid:
http://www.bulletinofinsectology.org/pdfarticles/vol56-2003-035-040sur.pdf

Im Prinzip läuft es etwa so ab:
Es findet keine aktive Aufnahme statt, das Molekül ist aber so beschaffen dass es hydrophob genug ist um durch die Membran der Wurzelhaare zu diffundieren aber hydrophil genug um dann im Xylem durch die Pflanze transportiert zu werden und sich in den Blättern anzureichern wo das Wasser verdunstet. Zu einem geringeren Teil kann es auch durch die Cuticula der Blätter diffundieren und so in oberirdische Pflanzenteile aufgenommen werden.


Nur wenige Prozent der aufgebrachten Dosis werden aufgenommen, das reicht aufgrund der hohen Toxizität aber durchaus. Für einen Nährstoff wären solche niedrigen Aufnahmeraten durch Diffusion natürlich unbrauchbar.

Berthold

Zitat von: Ahriman am 09.Apr.13 um 21:20 Uhr

Es findet keine aktive Aufnahme statt, das Molekül ist aber so beschaffen dass es hydrophob genug ist um durch die Membran der Wurzelhaare zu diffundieren aber hydrophil genug um dann im Xylem durch die Pflanze transportiert zu werden ..

Christian, ich verstehe nicht, warum ein hydrophober Stoff durch die Membran der Wurzelhaare diffundieren kann und ein hydrophiler dann im Xylem durch die Pflanze transportiert werden kann.

Ohne im Besitz von Sachkenntnis zu sein, hege ich den Verdacht, dass doch irgend ein aktiver Transportmechanismus Unterstützung liefert.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Machu Picchu

Zitat von: Ahriman am 09.Apr.13 um 21:20 Uhr
Es findet keine aktive Aufnahme statt, das Molekül ist aber so beschaffen dass es hydrophob genug ist um durch die Membran der Wurzelhaare zu diffundieren aber hydrophil genug um dann im Xylem durch die Pflanze transportiert zu werden und sich in den Blättern anzureichern wo das Wasser verdunstet. Zu einem geringeren Teil kann es auch durch die Cuticula der Blätter diffundieren und so in oberirdische Pflanzenteile aufgenommen werden.


Nur wenige Prozent der aufgebrachten Dosis werden aufgenommen, das reicht aufgrund der hohen Toxizität aber durchaus. Für einen Nährstoff wären solche niedrigen Aufnahmeraten durch Diffusion natürlich unbrauchbar.

Des Weiteren wäre natürlich auch eine Metabolisierung des durch aktiven Transport aufgenommenen hydrophoben Teilchens durch Anhängen eines Glykosidrests denkbar zu einem hydrophilen Teilchen, das dann ohne weiteres im Xylem transportiert werden kann.
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Liebe Grüße
Hans

Ahriman

#8
Berthold, Biomembranen bestehen aus einer Phospholipid-Doppelschicht, die ist für Wasser und wasserlösliche Moleküle fast undurchlässig.
https://de.wikipedia.org/wiki/Membrantransport

Hydrophobe oder unpolare Moleküle können durch die Membran diffundieren. Damit sie diese aber wieder verlassen und im Xylem umherschwimmen können müssen sie auch zu einem gewissen Grad hydrophil / polar sein, das dürfte aber weit weniger wichtig sein.
http://ecobas.org/www-server/rem/mdb/ufis/gle20.html

In der Tat ist Imidacloprid sowohl in polaren wie auch in unpolaren Lösungsmtteln löslich, wobei es nur sehr schlecht wasserlöslich ist. Trotzdem ist es im Xylem sehr mobil und diffundiert auch sehr gut durch Biomembranen. Ins Phloem geht es aber kaum.
Wie das Molekül in der Pflanze abgebaut wird ist im oben genannten Paper beschrieben. Manche Abbauprodukte können glycosidiert werden, das Molekül dürfte bei der Aufnahme aber nicht verändert werden, denn sonst würde es ja seine Wirksamkeit verlieren.
Ob der Transport zum Teil auch aktiv erfolgt könnete man leicht feststellen indem mam mit Entkopplern die ATP-Synthese unterbricht. Kein ATP -> kein aktiver Transport mehr.
Ich habe jedenfalls keinen Hinweis auf aktive Aufnahme gefunden , die geringen Aufnahmemengen von wenigen % der aufgebrachten Menge sprechen auch dagegen.


Machu Picchu

Wirkstoffe können sehr wohl verändert werden ohne ihre Wirksamkeit zu verlieren. Beim Wirkstoff von E605 (einem Phosphorsäureester) war dies sogar erwünscht, da sich dadurch die Wirksamkeit gegenüber Insekten erhöhte, aber gegenüber Wirbeltiere verringerte. Dies lag allerdings am unterschiedlichen Katabolismus von Insekten und Wirbeltieren und hat direkt nichts mit der Membran-Permaebilität dieses Phosphorsäureesters zu tun.
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Liebe Grüße
Hans

Ahriman

Interessant!
Natürlich gibt es viele Wirkstoffe die durch Umwandlung erst "scharfgemacht" werden, wie cyanogene Glycoside aber von Parathion wusste ich das bisher nicht.
Ich hab mich jetzt nur mal schnell mit den Neonicotinoiden beschäftigt, gerade das Imidacloprid scheint bereits maßgeschneidert zu sein um gut ins Xylem aber nicht ins Phloem zu gelangen - und zwar durch Diffusion. Zwar gelangen nur minimale Mengen ins Xylem, aber in den Blättern reichert es sich wieder etwas an.