Wie bewegen sich eigentlich Pflanzen?

Begonnen von kete, 23.Apr.15 um 12:25 Uhr

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

kete

...aber irgendwer hier kann mir sicherlich helfen. WIE bewegen sich eigentlich Pflanzen? Ich mein' die haben doch keine Muskeln, Sehnen etc. - also, wie machen die das?

Ich habe gerade ein Beispiel davon beobachtet, als sich der Blütenstiel eines Hippeastrums wie eine neugierige Oma ständig in Richtung irgendwelcher Fenster bewegte. Nun ist mir schon klar, dass Pflanzen sich nach dem Licht ausrichten, aber ich hab' keine Ahnung, wie sie das eigentlich bewerkstelligen.

Das drollige war, dass das Hippeastrum auf einem Blumenhocker im Wohnzimmer direkt am kleinen Fenster in der Essecke stand - es wurde aber anscheinend magisch vom großen Panoramafenster am Balkon, ungefähr fünf Meter entfernt, angezogen, so dass eines Morgens der Stiel praktisch waagerecht dorthin strebte. Ich band ihn vorsichtig wieder hoch, damit er nicht abbrach, und rückte das ganze Teil etwas näher an das kleine Fenster. Nun schlängelte sich der oberste Abschnitt des Stiels wie eine Schlange zwischen die anderen Pflanzen auf der Fensterbank und es sah aus, als wenn das Hippeastrum aus dem Fenster gucken wollte.

Wie hat es das gemacht?
Hybriden !!!

matucana

Schöne Grüße Helli


Ich mag alle Farben, nur schwarz müsen sie sein.

Ralla

In ketes Beispiel wäre also auf der lichtabgewandten Seite verstärktes Wachstum angesagt, um den BT zum Licht zu biegen.
Liebe Grüsse, Carola     

'Fantasie haben heißt nicht, sich etwas auszudenken, es heißt, sich aus den Dingen etwas zu machen.' - Thomas Mann

kete

A) verstehe ich bei dem Wiki-Artikel kein Wort und b) kann ich dem nicht entnehmen, WIE die Bewegung eigentlich zustande kommt, nur wie sie heisst und wodurch sie ausgelöst wird.
Hybriden !!!

Eerika

Dass die Pflanzen sich nach Licht richten können, kann ich mir gut vorstellen.
Auch wenn ich nicht genau weiss, wie das funktioniert.

Ich habe aber hierzu eine ähnliche Frage.

Woher bitte wissen die Blattranken, wo man sich fest halten kann? Sie wachsen aber immer schnurksgerade in dieser Richtung. (Erbsen, Melonen, Gloriosas, Wein....)

Ich hatte mal einige kleine Melonenpflanzen gehabt, die sich gut entwickelten. Die Blattranken steuerten schnurksgerade zu einem Blumengestell. Ich habe den Gestell auf anderen Platz gestellt, die Blattranken haben einen 90° Winkel gemacht und steuerten dem neuen Platz zu. Wie können sie das "sehen", wo etwas zum hochklettern ist?

Claus

Wenn man eine Langzeitaufnahme von Ranken macht, dann sieht man, dass sie sich ununterbrochen drehen und biegen - bis sie einen Halt gefunden haben. Dann ziehen sie sich daran fest.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Eerika

Das könnte ich verstehen.
Die Melonenranken waren aber nicht so lang und die ganze Pflanze, nicht nur die Ranken,  hat gleich eine Kurve gemacht, als hätte sie sofort "gesehen, dass ich die potentielle Kletterhilfe umgestellt habe. Der Abstand bis dahin, so weit ich mich erinnere, war ca 20- 30cm.

Man müsste es noch mal testen, ich habe gerade Melonen im Hause :-D

Machu Picchu

Zitat von: kete am 23.Apr.15 um 13:30 Uhr
b) kann ich dem nicht entnehmen, WIE die Bewegung eigentlich zustande kommt, nur wie sie heisst und wodurch sie ausgelöst wird.

Es handelt sich hier um KEINE Bewegung, sondern um Wachstum.
Photosynthetisch aktive Pflanzen haben das sogenannte Phytochrom-System. Dies enthält den Farbstoff Phytochrom, der sich durch Rotlicht unterschiedlicher Wellenlänge (670 nm und 730 nm) ineinander umwandelt. Wenn das längerwellige Rotlicht auf die Tiebspitze (hier Blütentrieb) fällt, wird die 670er Form in die 730er umgewandelt und es werden Pflanzenhormone (Auxin) induziert. Dieses wandert dann im Phloem (der Saftbahn) abwärts und bewirkt dann Streckungswachstum auf der "dunklen Pflanzenseite". Der Trieb wendet sich also zur hellen Seite hin.
Wird die ganze Pflanze abgedeckt, ruft dieses Phytochromsystem das Etiolement (Vergeilen) der Pflanze hervor. Die Pflanzenteile strecken sich und verlieren auch ihre grüne Farbe (Chlorophyll), da die darin steckende Energie fürs Wachstum benötigt wird.
_________________________________________________
Liebe Grüße
Hans

Felix

Man kann bei der Bewegung auch noch unterschieden zwischen Lokomotionen und Organbewegungen. Unter Lokomotion versteht man den Ortswechsel des ganzen Organismus, wenn nur einzelne Organe ihre Ort wechseln, dann spricht von eben von Organbewegung oder Krümmungsbewegungen. Bei den Tieren kennen wir die lokomotorischen Bewegungen, bei den Pflanzen dagegen ist die Fähigkeit zum Ortswechsel eigentlich nur auf wasserbewohnende, einzellige oder kolonienbildende Algen sowie die Fortpflanzungszellen beschränkt.
Die höheren (Land)Pflanzen dagegen haben sehr viele Möglichkeiten zur aktiven Bewegung ihrer Organe. Denn gerade die festgewachsene Lebensweise und damit die Abhängigkeit zur Umwelt macht es notwendig, dass sich einige Organe der Pflanze nach verschiedenen Umweltfaktoren orientieren können.
Die Pflanzenbewegungen können entweder ohne äußere Reizeinwirkungen geschehen (endogen) oder von Reizen aus der Umwelt induziert werden. Dieser Reiz wird durch einen Rezeptor aufgenommen, der äußere Reiz wird dann über Signaltransduktion in ein anderes inneres Signal umgewandelt.
Bei dem Rezeptor handelt es sich um eine Struktur oder ein Molekül, das spezifische Umweltinformationen aufnehmen kann (z.B. ein Pigment, das bestimmte Wellenlängen des Lichts aufnehmen kann).
Auf die Rezeption des Reizes folgt dann eine Reaktion. Oft sind die Orte von Aufnahme des Reizes und Reaktion räumlich getrennt. Hier ist also ein Signaltransfer notwendig. Man kann unterscheiden zwischen dem Transport eines physikalischen Signals (Aktionspotential) oder eines chemischen Signals (z.B. über Phytohormone).
In der Regel muss die Reizmenge einen bestimmten Schwellenwert überschreiten, damit eine Reaktion ausgelöst wird. Allerdings können auch unterschwellige Reize summiert werden. 

Mit sog. Tropismen meint man Krümmungsbewegungen, die durch einen bestimmten Reiz ausgelöst und orientiert werden. Man bennent die Tropismen nach dem Reiz, der sie verursacht, so gibt es z.B. Phototropismus (Licht), Gravitropismus (Schwerkraft), Thigmotropismus (Berührung), Chemotropismus (chemisch induziert) usw.
Wenn die Krümmungen zur Reizquelle hin führen, spricht man von positiven Tropismus und umgekehrt von negativem Tropismus.
Als Beispiel Phototropismus: Pflanzen brauchen viel Licht zum Leben, deshalb zeigen oberirdische Pflanzenorgane in der Regel einen positiven Phototropismus.
Wenn man sich einen Spross anschaut, dann entsteht die Krümmung zum Licht dadurch, dass die Zellen der Flanke, die dem Licht zugewandt ist, ein verstärktes Wachstum aufweisen. Dabei handelt es sich meist um Streckungswachstum, weil Auxine induziert werden, allerdings kann auch über Cytokinine die Zellteilung gesteigert werden.
Wurzeln dagegen verhalten sich meist indifferent oder negativ phototropisch.
Die von Machu Picchu genannten Phytochrome sind ein Beispiel für die Photorezeptoren, daneben gibt es noch andere Photorezeptoren für andere Wellenlängen.

Dann gibt es noch die Nastien, das sind Krümmungsbewegungen, die durch einen Reiz ausgelöst werden, aber der Ablauf und die Orientierung der Krümmungsbewegung nicht durch den Reiz, sondern durch das Organ bestimmt ist. Wie Tropismen werden sie nach dem Reiz benannt.
Oft handelt es sich neben den Wachstumsbewegungen (Themonastie, Photonastie, Rankenbewegunen) hier auch um Turgorbewegungen (etwa bei der Seismonastie).  Seismonastie sind durch Erschütterung ausgelöste pflanzliche Bewegungsreaktionen. Die Richtung dieser Reaktion ist durch den Bau des betroffenen Organs vorgegeben. Ein Beispiel sind die Laubblätter der Fliegenfallenpflanze und Mimosen. Bestimmte Zellen verkleinern sich dabei unter Turgordruckverlust. Geschieht das an einer Flanke eines Organs (z.B. ein Blattgelenkt), dann dehnen sich die Zellen der Gegenflanke umso mehr aus, so dass es zu den bekannten scharnierartigen Krümmungen kommt.
Auch die Bewegungen der Spaltöffnungen werden durch nastische Turgorbewegungen der Schließzellen ausgelöst.

Dann gibt es noch die autonomen Bewegungen, die ohne erkennbare auslösende Reizung geschehen (endogen).
Diese Bewegungen werden durch Wachstums- oder Turgorvorgänge ermöglicht. Oft unterliegen sie einer 24-stündigen Bewegungsrhythmik und werden durch die physiologische Uhr gesteuert.

Und schließlich gibt es noch Turgor-Explosionsbewegungen, deren Ursache die Turgeszenz von Pflanzenzellen oder eine Gewebespannung ist. Diese Bewegungen sind irreversibel, sie sind die Folge einer plötzlichen Beseitigung einer Hemmung, die der Zellausdehnung oder dem Ausgleich der Gewebespannung entgegenstand. Hier geht es oft um Sporen-, Pollen- und Samenverbreitung. Sie können durch Turgoranstieg, Reifeprozesse und mechanische Bewegungen ausgelöst werden. 

kete

DANKE, Machu Picchu und Felix! Jetzt sehe ich etwas klarer.  :yes
Hybriden !!!

kete

#10
Zitat von: Eerika am 23.Apr.15 um 13:40 Uhr
Dass die Pflanzen sich nach Licht richten können, kann ich mir gut vorstellen.
Auch wenn ich nicht genau weiss, wie das funktioniert.

Ich habe aber hierzu eine ähnliche Frage.

Woher bitte wissen die Blattranken, wo man sich fest halten kann? Sie wachsen aber immer schnurksgerade in dieser Richtung. (Erbsen, Melonen, Gloriosas, Wein....)

Ich hatte mal einige kleine Melonenpflanzen gehabt, die sich gut entwickelten. Die Blattranken steuerten schnurksgerade zu einem Blumengestell. Ich habe den Gestell auf anderen Platz gestellt, die Blattranken haben einen 90° Winkel gemacht und steuerten dem neuen Platz zu. Wie können sie das "sehen", wo etwas zum hochklettern ist?

Du, dazu habe ich neulich ein nettes YT-Video gesehen. Das war eine Zeitraffer-Aufnahme von, ich glaube, einer Passionsblume. Da hat der ganze Trieb praktisch wie ein Quirl in der Luft rumrotiert bis er was fand um sich dran festzuklammern und ZACK! hat er seine Ranken drumgewickelt und saß fest. Muss mal gucken, ob ich das noch wiederfinde.

Hier ist ein Video, wenn auch nicht das welches ich ursprünglich meinte: https://www.youtube.com/watch?v=DNlXcOxdAxA

Die Spiralbewegung sieht man so ab 0:59.
Hybriden !!!