Symbiotische Kultur mit Hefeextrakt und Nitraten

Begonnen von Claus, 18.Jan.09 um 10:41 Uhr

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Claus

Ja, mit den Pilzen, das ist so ein Hobby, von dem man nicht wegkommt. Frank schrieb doch neulich, dass seine Freunde in Chile dem Haferagar 0,1 g/l Hefeextrakt zusetzen. http://www.orchideenkultur.net/index.php?topic=140.msg3756#msg3756

Ich habe dann natürlich gleich wieder übertrieben. Da ich keinen labormäßig reinen Hefeextrakt hatte sondern nur den stark gesalzenen aus dem Reformhaus, habe mal selbst welchen hergestellt: http://www.orchideenkultur.net/index.php?topic=326.msg5931#msg5931

Im ersten Fall habe ich 1 g/l dieses Hefeextraktes (theoretische Rechnung, dass Hefe 50% Wassergehalt hat, muss nicht stimmen!) auf Haferagar mit 2,5 g/l Hafer und 6 g/l Agar zugesetzt. = B1H (H wie Hefeextrakt)

Im zweiten Fall habe ich 600 mg/l Ca-Nitrat und 300 mg/l KNO3 zugesetzt. = B1N (N wie Nitrat)

Im dritten Fall habe ich beides in obigen Mengen zugesetzt. = B1B (B wie beides)

Alle Gläser wurden am 27.11. mit B1 infiziert.

Am 3.12.2008 habe ich dann D. maculata-Samen 5 min mit 1,25% Ca-Hypochlorit gebleicht und ausgesät.

Als Keimung habe ich notiert:
B1H 16.12. "beginnend"
B1N 20.12. "starke Keimung"
B1B 27.12. "starke Keimung"

Der genaue Zeitpunkt der Keimung ist manchmal etwas schwierig zu sehen, von daher kann man von den Daten keine Reihenfolge ableiten.

Was ist aber dann beobachtet habe, zeigt die deutlichen Unterschiede. Auf Hefeextrakt entwickeln sie sich so, wie ich das von reinem Haferagar her kenne. Auf Nitrat entwickeln sie sich deutlich besser, die einzelnen Protokorme bleiben auch heller, sozusagen "schöner". Bei Zugabe von Hefeextrakt + Nitrat beginnen sie rasch etwas zu "entarten", sie werden gelblich - hellbraun und machen keinen guten Eindruck mehr.

Das war dann der Grund, diese Protokorme am 16.1.09 rasch umzulegen. Dabei habe ich für mich erstmals den Versuch gemacht, die mit B1 infizierten Protokorme nicht auf bereits infizierten Haferagar zu legen sondern auf nicht infizierten. Da kommen also die mit B1 infizierten Protokorme auf eine Unterlage, die ihnen zunächst nicht bietet, außer Wasser und vielleicht einige Mineralstoffen. Der Pilz muss sich ja erst in den Nährboden hineinfressen. Heute, nach zwei Tagen sieht man bereits bei vielen Protokormen, wie neue Rhizoide in den Nährboden hinein wachsen, d.h. diese Reaktion mit dem Pilz geht sehr schnell.

Parallel hatte ich noch Orchis coriophora fragrans auf den Nährboden mit Nitrat gelegt (7 min Bleiche wie oben), aber mangels Samenmenge keine Parallelversuche gemacht. Am 20.12. notierte ich "starke Keimung", am 27.12. "Massenkeimung" und am 12.1.09 "ans Licht wegen Spitzenbildung". Alle Sämlinge sind jetzt grün, die größten sind bereits fast 2 cm hoch.

Fazit für mich: Zusätze von Nitraten zum Haferagar scheinen deutlich besser zu sein als Hefeextrakt. Ich vermute auch, dass insbesondere Calciumnitrat eine gute Wirkung hat. Der Gehalt des Hefeextraktes an Aminosäuren spielt wahrscheinlich keine so große Rolle, da Hafer ohnehin bereits ca. 13% Eiweiß enthält, aber keine Nitrate.

Was bleibt wäre zu prüfen, ob damit möglicherweise weitere Arten mit B1 keimen und wachsen könnten bzw. solche, die mehr schlecht und recht auf B1 wachsen zu besserer Ausbeute und Wachstum zu bringen. Aber da sind wir wieder bei dem Thema: woher die 1€-Kräfte nehmen und nicht stehlen.  :whistle :whistle :whistle

Ich würde mich freuen, wenn andere diese Versuche mit Nitrat-Zusatz wiederholen und bestätigen könnten.

Viele Grüße
Claus
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Claus

Hallo Timm,
ja die Menge von 2,5 g/l Hafer ist optimal, 3,5 g/l geht noch, hat aber keine Vorteile, bei manchen Arten beginnt schon eine schlechte Entwicklung, ab 5 g/l parasitiert der Pilz früher oder später zu 100%. Ich habe 2005 und 2006 sehr viele Versuche dazu gemacht und nehme nur noch 2,5 g/l Hafer.

Der Hafer enthält ca. 13% Eiweiß, das der Pilz sicherlich sehr gut enzymatisch in Stücke zerlegen kann bis herunter zu den Aminosäuren. Wir haben dann die Situation des asymbiotischen Malmgren- und van Waes-Mediums, auf dem auch in modifizierter Form die Sämlinge in den meisten Fällen nach dem Umlegen keine gute Entwicklung durchmachen, die Blätter sind heller grün als sonst und etwas glasig. Das gilt auch für meine Kombination Malmgren mit van Waes. Sehr gute Keimung, schlechte Entwicklung nach dem Umlegen.

Das ändert sich dramatisch, wenn man Nitrate zufügt, ich habe die Kombination KNO3 mit Ca-Nitrat gewählt, weil ich von der positiven Wirkung von Calciumsalzen überzeugt bin. Da könnte man natürlich noch viel herum probieren (siehe 1€-Kräfte!  :-D)

Ich müsste mir das Papier von Beyrle dazu nochmal durchlesen, aber das sind ja auch seine lange zurückliegenden Erfahrungen. Das muss ja heute alles nicht mehr stimmen.

Es sieht aber so aus, als gäbe es da eine Parallele zwischen asymbiotischer und symbiotischer Kultur.

Die Keimrate ändert sich dadurch nicht, nur das weitere Wachstum.

Viele Grüße
Claus
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Berthold

Meine Sicht der Dinge:


1. Orchis coriophora fragrans keimt auf Pilz sehr gut und bildet nach 6 bis 8 Wochen ca. 2 cm lange grüne Spitzen mit 3 mm Protokormen und ist dann pikierfähig. Da reicht ein 2,5 g/l Haferflockenagar aus, Nitrate sind nicht notwendig.

2. Entartet der Pilz auf Böden mit mehr als 5g/l Haferflocken, weil der Stickstoffgehalt mit dem Eiweisss zu hoch wird oder weil zu viele Kohlenhydrate mit der Haferflockenstärke zur Verfügung steht? Mit dem Stickstoff kann doch der Pilz eigentlich nicht so viel anfangen.

3. Einige Orchideenarten werden von B1 sehr gut und lange gefördert, z.B. Orchis elegans hat nach 8 Wochen eine 2 cm lange grüne Spitze. Bei anderen Arten (fast alle Dactyloriza-Arten) wird die Pilzförderung nach bereits 4 stark reduziert und die Protokorme bleiben bei einer Grösse von 2 bis 3 mm stecken.
Wenn die Dactylorhizaprotokorme dann überhaupt weiter wachsen wollen müssen sie auf asymbiotische Ernährung umstellen. Hierfür müssen sie einige Monate warten, bis die Pilze die Haferflocken zerlegt haben und im Nährboden die Stoffwechselprodukte der Pilze als geeignete Nährstoffe für die Protokormen zur Verfügung stehen.
Für diese Orchideenarten sollte ein Stickstoffzusatz zum Nährboden für die 2. Wachstumsphase von Vorteil sein.

4. Die Impfung eines sterilen Bodens mit einem Orchideenprotokorm, an dem Pilzhyphen kleben erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass man den Boden mit einem Pilz mit "Keimpotenzial" geimpft hat und nicht mit einem genetisch leicht unterschiedlichen Bruderpilz mit deutlich schlechterem oder gar keinem Keimpotenzial.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Claus

Zitat von: Berthold am 18.Jan.09 um 13:58 Uhr
1. Orchis coriophora fragrans keimt auf Pilz sehr gut und bildet nach 6 bis 8 Wochen ca. 2 cm lange grüne Spitzen mit 3 mm Protokormen und ist dann pikierfähig. Da reicht ein 2,5 g/l Haferflockenagar aus, Nitrate sind nicht notwendig.

Berthold,
darum geht es nicht. Es geht darum, ob Nitratstickstoff wie bei asymbiotischer Kultur auch bei der symbiotischen Kultur fördert oder nicht. Und das scheint bei D. maculata so zu sein.

Zitat von: Berthold am 18.Jan.09 um 13:58 Uhr
2. Entartet der Pilz auf Böden mit mehr als 5g/l Haferflocken, weil der Stickstoffgehalt mit dem Eiweisss zu hoch wird oder weil zu viele Kohlenhydrate mit der Haferflockenstärke zur Verfügung steht? Mit dem Stickstoff kann doch der Pilz eigentlich nicht so viel anfangen.

Wenn man dem Haferagar mit 2,5 g/l zusätzlich Zucker gibt, dann parasitiert der Pilz. Danach scheint der Kohlenhydratgehalt Ursache für das Parasitieren zu sein. Zum Beweis müsste man die Haferflocken z.B. durch Maizena ergänzen, dann hätte man den Vergleich Stärke zu Stärke, ohne den Eiweißanteil zu erhöhen.

Zitat von: Berthold am 18.Jan.09 um 13:58 Uhr
3. Einige Orchideenarten werden von B1 sehr gut und lange gefördert, z.B. Orchis elegans hat nach 8 Wochen eine 2 cm lange grüne Spitze. Bei anderen Arten (fast alle Dactyloriza-Arten) wird die Pilzförderung nach bereits 4 stark reduziert und die Protokorme bleiben bei einer Grösse von 2 bis 3 mm stecken.
Wenn die Dactylorhizaprotokorme dann überhaupt weiter wachsen wollen müssen sie auf asymbiotische Ernährung umstellen. Hierfür müssen sie einige Monate warten, bis die Pilze die Haferflocken zerlegt haben und im Nährboden die Stoffwechselprodukte der Pilze als geeignete Nährstoffe für die Protokormen zur Verfügung stehen.
Für diese Orchideenarten sollte ein Stickstoffzusatz zum Nährboden für die 2. Wachstumsphase von Vorteil sein.

Bei mir sind auch Dactylorhizen auf B1 und Haferagar bis zum Auspikieren gewachsen, sie müssen nur alle 6-8 Wochen umgelegt werden. Davon könnten die ersten in diesem Jahr blühen. Jedenfalls bleibt der Pilz über Jahre im gleichen Haferagar am Leben und kann auch immer wieder nachgefüttert werden, bei mir jetzt im 4. Jahr. Bei ausreichender Fütterung könnte die Orchidee wahrscheinlich von dem Abfall leben.

Zitat von: Berthold am 18.Jan.09 um 13:58 Uhr
4. Die Impfung eines sterilen Bodens mit einem Orchideenprotokorm, an dem Pilzhyphen kleben erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass man den Boden mit einem Pilz mit "Keimpotenzial" geimpft hat und nicht mit einem genetisch leicht unterschiedlichen Bruderpilz mit deutlich schlechterem oder gar keinem Keimpotenzial.

Das ist sicher so, ich werde nach dieser Erfahrung auch keine infizierten Sämlinge mehr auf bereits infizierte Böden legen.

Viele Grüße
Claus


Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Berthold

Zitat von: Claus am 18.Jan.09 um 15:10 Uhr
Es geht darum, ob Nitratstickstoff wie bei asymbiotischer Kultur auch bei der symbiotischen Kultur fördert oder nicht. Und das scheint bei D. maculata so zu sein.

Zitat
Bei mir sind auch Dactylorhizen auf B1 und Haferagar bis zum Auspikieren gewachsen, sie müssen nur alle 6-8 Wochen umgelegt werden. Davon könnten die ersten in diesem Jahr blühen. Jedenfalls bleibt der Pilz über Jahre im gleichen Haferagar am Leben und kann auch immer wieder nachgefüttert werden, bei mir jetzt im 4. Jahr. Bei ausreichender Fütterung könnte die Orchidee wahrscheinlich von dem Abfall leben.
Viele Grüße
Claus


Meine Vermutung ist ja, dass bei D. maculata die symbiotische Nahrungsversorgung der Protokormen relativ früh in ein asymbiotische Nahrungsaufnahme wechselt (weil der Pilz nur in ganz aktivem Stadium in der Lage ist, in die Orchidee hinein zu wachsen und dort Nährstoffe abgeben kann).
In der 2. Phase (der asymbiotischen Nährstoffaufnahme) sollte dann der Nitratstickstoff im Nährboden für diese Orchideenart eine wichtige Rolle spielen.




Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

erdorchideen

Zitat von: Claus am 18.Jan.09 um 10:41 Uhr
Ja, mit den Pilzen, das ist so ein Hobby, von dem man nicht wegkommt. Frank schrieb doch neulich, dass seine Freunde in Chile dem Haferagar 0,1 g/l Hefeextrakt zusetzen.

Fazit für mich: Zusätze von Nitraten zum Haferagar scheinen deutlich besser zu sein als Hefeextrakt.

Ich würde mich freuen, wenn andere diese Versuche mit Nitrat-Zusatz wiederholen und bestätigen könnten.


Claus, es freut mich, dass Du noch neue Pilzversuche durchführst. Ich würde bestimmt auch mal einige Aussaaten mit Nitraten versuchen, wenn ich demnächst wieder einige Samen mit Pilzen zusammenbringe. Dann kann ich weitere Ergebnisse bringen.

Zum Hefeextrakt: In Chile wird Hefeextrakt mit 0,1 g/l für die Verbesserung der Wurzelbildung als positiv angesehen, nicht unbedingt bei der Aussaat. Hinsichtlich Aussaat tut sich bei meinen aktuellen Aussaaten auch nicht viel im Vergleich zu normalem Haferflockenagar ohne Hefeextrakt. Insofern würde ich die Bewertung des Hefezusatzes noch nicht in diesem frühen Stadium Deiner Sämlinge durchführen.

Und eine Frage sei noch erlaubt: Warum schießt Du 10-fach übers Ziel hinaus und nimmst 1 g/l Hefeextrakt? Wolltst Du unbedingt die Aussage belegen, dass Nitrate besser seien als Hefe?  :-p
Liebe Grüße,
Frank

Claus

Zitat von: erdorchideen am 18.Jan.09 um 20:08 Uhr
Und eine Frage sei noch erlaubt: Warum schießt Du 10-fach übers Ziel hinaus und nimmst 1 g/l Hefeextrakt? Wolltst Du unbedingt die Aussage belegen, dass Nitrate besser seien als Hefe?  :-p
Hallo Frank,
wenn ich Versuche erstmals mache, dann gehe ích zumeist etwas extrem heran, um überhaupt Wirkungen zu erkennen. Denn es ist ja oft so, dass man nur so eine Ahnung hat, dass es besser oder schlechter ist. So habe ich damals mit den Pilzen ja auch parallel Haferagar mit 2,5 g/l; 5 g/l; 10 g/l; 15 g/l und sogar 30 g/l angesetzt. Der Fall war danach wirklich ganz schnell klar, einen weiteren Versuch bezüglich Haferkonzentration konnte ich vergessen.

In der nächsten Reihe habe ich dann 4 und 8 g/l Zucker zugesetzt. Das sah zunächst auch erfolgreich aus, bis dann nach Wochen doch die parasitierende Wirkung des Pilzes zuschlug. Na, und jetzt eben der Versuch organischen und anorganischen Stickstoff als Zusatz zu vergleichen, allein oder in Kombination, bei den 0,1 g/l hätte ich sicher noch nichts gesehen.

Aber es stimmt schon, was die Zeit bringt weiß ich noch nicht. Dennoch: Schon kurz nach der Aussaat sind die Unterschiede deutlich. Und es bestätigt sich die positive Wirkung von Nitrat wie bei der asymbiotischen Kultur. Bisher. Asymbiotisch nehme ich aber immer Aminosäuren in Kombination mit Nitrat, hier sieht das nicht so gut aus, vielleicht weil der Hafer allein schon genügend organischen Stickstoff liefert.

Lieben Gruß
Claus
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)