Mykorrhiza bei Orchideen

Begonnen von Berthold, 17.Mär.23 um 10:53 Uhr

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Berthold

Für alle Orchideen-Kultivateure, die nichts über Mykorrhiza wissen oder nicht daran glauben und sich ein eigenes Weltbild ohne Mykorriza aufgebaut haben, wie z. B. Manne.
Eine schöne kurze Abhandlung von Dr. Heinrich Beyrle, der auf diesem Gebiet intensiv wissenschaftlich gearbeitet hat und jetzt auch selber produzierte Orchideen verkauft.


Wie können Orchideen und Pilze zusammenleben?

Es ist seit langem bekannt, daß unsere heimischen Orchideen in einer engen Verbindung (Symbiose) mit bestimmten Pilzen leben. Diese Gemeinschaft wird als Mykorrhiza bezeichnet. Die Mykorrhizapilze besiedeln den Boden und die Rinde der Bäume und dringen auch in das lebende Gewebe von Orchideen ein. Diese Symbiose ist von großer Bedeutung für junge Orchideensämlinge und Keimkörper (Protocorme genannt). Ohne Blätter und Wurzeln sind die Protocorme abhängig von ihren Pilzen zur Aufnahme von Kohlenhydraten, Mineralien und Wasser. Jedoch auch erwachsene Orchideen profitieren von der Symbiose und sind häufig stark verpilzt. Der Grad der Abhängigkeit variiert innerhalb der Gattungen und Arten. Epiphytische Orchideen werden im allgemeinen als weniger abhängig betrachtet, im Vergleich zu Erdorchideen. In den Keimkörpern bleibt der Pilz auf den basalen Teil beschränkt und dringt nicht in die Zellenteilungszone (Meristem) ein. Die ersten, sich entwickelnden Wurzeln werden vom Boden aus besiedelt. In Caladenia, Pterostylis und in einigen anderen australischen Orchideen, welche wenig oder überhaupt keine Wurzeln bilden, besiedelt der Pilz den verdickten Stengelgrund knapp unterhalb der Bodenoberfläche. Wenn man das erste Mal infizierte Wurzeln unter dem Mikroskop betrachtet, ist man zweifellos erstaunt über die Masse der Pilze. Die äußere Region der Wurzel (Epidermis) ist nur spärlich kolonisiert, die innere Wurzelregion (Gefäßsystem) ist vollkommen pilzfrei, das Gewebe dazwischen ist jedoch stark infiziert. Die Verteilung des Pilzes scheint gut organisiert zu sein und es wird offensichtlich, daß die Orchideenpflanze das Wachstum des Pilzes innerhalb seines Gewebes kontrolliert. Die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen über die Orchideenmykorrhiza wurden vom französischen Wissenschaftler Noel Bernard durchgeführt. Im Mai 1899 entdeckte er, unter einem modrigem Stamm im Wald, keimende Orchideensämlinge. Bernard stellte fest, daß die Sämlinge Pilze enthalten und von ihnen für ihre Ernährung abhängen. In den folgenden Jahren bis seinem frühen Tod im Jahre 1911, keimte Bernard viele Orchideen und ersann zahlreiche Experimente. Er entdeckte, daß das Verhältnis spezifisch ist und nur bestimmte Pilze das Wachstum der Sämlinge fördern. Beispielsweise keimen Samen der epiphytischen Orchidee Cattleya mit einem Pilz, welcher von Cattleya isoliert wurde. Werden die Samen jedoch mit einem Pilz aus Phaleonopsis oder Odontoglossum kombiniert, tötet dieser Pilz entweder die Orchidee, oder der Pilz wird von der Orchidee am Eindringen gehindert und die Sämlinge entwickeln sich nicht weiter. Die Orchideen sind zur Zerstörung des Pilzes fähig. Weiter zeigte Bernard, daß Orchideenknollen die normalerweise keine Pilze enthalten, eine starke pilztötende Aktivität haben. Substanzen, die aus den Knollen heraus diffundieren, können das Wachstum des Pilzes stoppen. Bernard stellte bei seinen Studien fest, daß die Mykorrhizapilze eine Art Parasiten sind, welche durch Reaktionen der Orchideenwirtszellen kontrolliert werden. Als er über die" maladie bien faisante, " schreibt, sieht er die Verbindung als Krankheit an, welche sich zum Nutzen der Orchideen wendet. In der Tat ergaben Studien späterer Forscher, daß einige Mykorrhizapilze der Orchideen für andere Pflanzen schädlich sein können (parasitsche Pilze). Ein Beispiel ist der Halimasch (Armillaria mellea) welcher Bäume töten kann, jedoch von der Orchidee Gastrodia elata genutzt wird. Die Getreidekrankheit Rhizoctonia solanii kann ebenfalls manchmal in den Orchideen Dactylorhiza, Prasophyllum und Pterostylis zum Nutzen der Orchideen gefunden werden (nachgewiesen durch den Wissenschaftler Jack Warcup). Im allgemeinen sind Orchideenpilze jedoch keine Schadpilze und leben auf totem, verfallendem Holz und Blättern (saprophytischen Pilze) oder leben in Symbiose mit Wurzeln bestimmter Sträucher und Bäume (Ektomycorrhizapilze). Pilze können bestimmte Substanzen (Enzyme) herstellen, welche organische Moleküle abbauen helfen. Diese Enzyme werden aktiviert um das organische Material zu zersetzen. Dadurch lösen Pilze Zellwände auf und einige Pilze können sogar in lebende Zellen eindringen und Krankheiten verursachen. Pflanzen haben jedoch, wie Tiere und Menschen, wirkungsvolle Mechanismen um Krankheiten zu widerstehen. Alle Lebewesen sind ununterbrochen Pilzen und anderen Mikroorganismen ausgesetzt, aber der Widerstand gegenüber Krankheiten ist die Regel und die Anfälligkeit die Ausnahme. Die Art des Widerstandes ist vielfältig. Pflanzenphysiologen unterscheiden in passiven Widerstand und aktive Verteidigung. Zum passiven Widerstand gehören alle Eigenschaften welche bereits vor dem Eintreten einer Infektion wirksam sind. Die aktive Verteidigung spricht Mittel an, welche nur während einer Infektion akkumulieren. Die Moleküle, die zur Verhinderung von Infektionen fähig sind und Krankheiten nicht ausbrechen lassen, werden nicht im primären Stoffwechsel der Pflanzen gebildet. Der primäre Stoffwechsel regelt das Wachstum und die Ausbildung der Stengel, Blätter, Wurzeln und Blüten (Nukleinsäuren, Proteine, Zucker, Fettsäuren). Antibiotische Mittel dagegen werden in besonderen metabolischen Prozessen gebildet und werden folglich Sekundärstoffwechselprodukte genannt. Diese Chemikalien sind von großer Verschiedenartigkeit und unterschiedliche Pflanzen produzieren unterschiedliche Mittel. Sekundärstoffwechselprodukte können Düfte und Farben sein, oder auch Verteidigungmoleküle gegen Pflanzenfresser ( z.B. Insekten) und Mikroorganismen. Passiv Widerstand leistende Moleküle (Lignin, Phenole, Terpene und Flavonoide) wehren mögliche Angriffe von vornherein ab und verhindern ein Eindringen ins Pflanzengewebe. Viele Krankheitserreger überwinden jedoch diese und andere Verteidigungmoleküle und kolonisieren die ersten Pflanzenzellen. Die Pflanzen können aktiv reagieren, durch Ausbildung von Papillen und Zellwand-Einlagerungen, mit dem Ziel den Eindringling abzukappseln. Zusätzlich kann das angesteckte Gewebe sofort absterben. Dieser beschränkte Zellentod (Hypersensibilitätsreaktion), zusammen mit der Synthese von neuen antibiotischen Substanzen (Phytoalexine), kann oft die Besiedlung des benachbarten gesunden Gewebes beenden und verhindert in vielen Fällen eine weitere Invasion und Wachstum des Krankheitserregers. Als Resultat solch eines Treffens zwischen Pflanze und Krankheitserreger sind dann dunkle pigmentierte Flecke an Wurzeln oder anderen Pflanzenteilen sichtbar. Führen jedoch Ernährungsstress und ungünstige Klimafaktoren zur Schwächung der metabolischen Aktivitäten der Pflanzen, so wird der Krankheitserreger begünstigt. Infolgedessen schreitet die Krankheit weiter voran und die Pflanze ist verloren. Die Ähnlichkeit der Orchideenmykorrhiza mit den Beziehungen zu Krankheitserregern wird bei symbiotischen Keimungversuchen offensichtlich. Sogar ein für eine bestimmte Orchidee spezifisch passender Pilz, welche das Wachstum der Orchidee zuerst unterstützt, kann später parasitsch werden und die Protocorme töten. Dieser plötzliche Parasitismus ist die Hauptschwierigkeit in den symbiotischen in-vitro Kulturen und begrenzt seine Anwendung für die Aufzucht von Orchideensämlingen. Im Boden (in der Natur und in den Pflanztöpfen) ist das Wachstum des Pilzes, verglichen mit in-vitro Kulturen, sehr spärlich und Parasitismus scheint niemals vorzukommen. Der Mykorrhizapilz wird im Boden niemals schaden und bringt für die Orchidee nur Vorteile. Zwei sehr unterschiedliche Organismen profitieren voneinander, indem sie zusammenleben. Ein Pilz, mit dem Potential Pflanzen abzubauen und eine Orchidee, bereit sich gegen Pilze zu verteidigen. Es ist kaum bekannt, welche Prozeße das Gleichgewicht zwischen Orchideen und Pilzen regeln. Einige Systeme scheinen möglich zu sein:
A) Die invasive Natur des Pilzes wird durch die Verteidigung der Orchidee ausgeglichen. Phytoalexine scheinen hierbei wichtig zu sein. In Gegenwart des Pilzes werden sie fortwährend von der Orchidee produziert und können durch den Pilz stufenweise inaktiviert werden. Die Oxydasen, die Hydrolasen und andere Enzyme des Pilzes werden durch Verteidigungmoleküle der Orchidee inaktiviert.

B) Der Pilz ändert seinen Metabolismus und zerstörende Enzyme werden nach der Besiedlung des Orchideengewebes nicht mehr produziert. Die Orchidee setzt keine der oben genannten Verteidigungreaktionen ein. Unbekannte Mechanismen steuern die Symbiose.

c) Einige Verteidigungreaktionen arbeiten auf einer niedrigen Stufe (z.B. Phytoalexine) zusätzlich zu einer unbekannten Steuerung.

Die Möglichkeit A) scheint, durch die instabile Natur der Orchideenmykorrhiza unterstützt zu werden. Jedoch scheinen der hohe Grad der Spezifität (nur bestimmte Pilze können eine Mykorrhiza mit bestimmten Orchideen ausbilden), Möglichkeiten B) und C) zu bevorzugen, während A) eine breitere Palette von Pilzen zulassen sollte. Das Resultat einer Infektion ist abhähgig von der Orchidee, vom Pilz und von den Nährstoffen, die für die Symbionten vorhanden sind. Gemäßigte Ernährung schränkt den Pilz ein und erlaubt die Beständigkeit der Mykorrhiza. Übermässig viele Kohlenhydrate und stickstoffhaltige Dünger führen (zum Beispiel in in-vitro Kulturen) zu einem stark wachsenden Pilz, zur parasitschen Invasion und zum Tod der Orchidee. Um das Gleichgewicht zwischen Orchideen und ihren Pilzen zu erforschen, muss die Produktion von Schlüsselenzymen, Polyphenolen und Phytoalexinen während einer Infektion analysiert werden. Die Aktivitäten die Enzyme und die Menge der Verteidigungmoleküle müssen in den unterschiedlichen Beziehungen definiert und verglichen werden und das Geschehen mikroskopisch analysiert werden. Um die Bedeutung der Verteidigungmoleküle nachzuweisen, können gewisse Sekundärstoffwechselwege blockiert und die Auswirkung auf die Symbiose festgestellt werden. Untersuchungen dieser Art wurden von Prof. Sally E.Smith (Adelaide, Australien) und mir, in Zusammenarbeit mit Prof R.L.Peterson (Kanada) in den Jahren von 1989 bis 1993 durchgeführt und die Resultate deuten auf die Möglichkeit B). Die Forschung wurde durch den australischen Forschungsrat und der Alexander von Humboldt-Humboldt-Stiftung, Deutschland unterstützt.

www.myorchids.de

© 2000-2010 Heinrich Beyrle 
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