Orchis mascula Gruppe

Begonnen von Timm Willem, 04.Feb.12 um 07:19 Uhr

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Timm Willem

Hallo Zusammen,
kann mal jemand über die Gartenkultur von Orchis mascula berichten?
Möglichst Erfahrungen über einen längeren Zeitraum.

Berthold

Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Timm Willem

Hallo Berthold,
ich denke, bei der Art ist die Langlebigkeit sehr von den Haltungsbedingungen abhängig.
An Naturstandorten erschien sie mir bisher als etwas stabiler als die oft etwas schwankenden Bestände der Arten aus der purpurea-Gruppe.

Berthold

Ich denke, pupurea ist langlebig, allerding treiben die Knollen nicht jedes Jahr gleich gut aus, in manchen Jahren auch garnicht. Dadurch erscheint die Population schwankend.

Bei Ophrys apifera schwankt die Population auch, aber da sterben die Knollen wirklich ab.

Orchis mascula sät sich sehr gut aus aber das einzelne Individuum ist nach meiner Beobachtung nicht sehr langlebig.

Wenn die Bedingungen gleichmässig gut sind hat man immer einen gleichmässigen Bestand mehrerer Generationen am Standort, aber die Individuen wechseln relativ schnell.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Timm Willem

Es scheint aber auch in Kulturbeständen immer auf die Haltungsbedingungen an zu kommen. So trägt eine optimale Kultur mit hohen Nährstoffgaben oft nicht zur Langlebigkeit bei. Das gilt wohl auch für alle nicht kriechenden Erdorchideen, sie verfaulen irgendwann durch das "Ungleichgewicht" ihrer eigenen Biomasse, die nicht schnell genug verringert wird und dadurch Schadorganismen anzieht.

Wahrscheinlich sieht hier eine "optimale" Kultur, an der Langlebigkeit orientiert, anders aus als sie bei einer primär auf Zuwachs ausgerichteten Kultur aussehen würde.

Claus

Bei den Erdorchideen sehe ich immer das Problem, dass eine alte Knolle oder Wurzel im Boden vergeht und inzwischen eine neue gebildet wurde. Es wird ja behauptet, dass dann dort in dem verrottenden Teil der Pilz überlebt. Ich stelle mir aber vor, dass Fäulnis auch auf die neue Knolle übergehen kann.

Jedenfalls ist es bei älteren asymbiotischen Kulturen im Glas so, dass von der alten Knolle ausgehende Wurzeln schon braun und matschig sein können ohne infiziert zu sein. Und wenn ich diese Teile nicht entferne, dann ist das der Beginn einer guten Freundschaft zwischen Schimmel- oder anderen Pilzen und diesen alten Teilen. Und wenn man das Ganze dann noch relativ feucht hält, greift der Schadpilz auf den neuen Teil über.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Timm Willem

Zitat von: Claus am 04.Feb.12 um 13:59 Uhr
Bei den Erdorchideen sehe ich immer das Problem, dass eine alte Knolle oder Wurzel im Boden vergeht und inzwischen eine neue gebildet wurde. Es wird ja behauptet, dass dann dort in dem verrottenden Teil der Pilz überlebt. Ich stelle mir aber vor, dass Fäulnis auch auf die neue Knolle übergehen kann.

Jedenfalls ist es bei älteren asymbiotischen Kulturen im Glas so, dass von der alten Knolle ausgehende Wurzeln schon braun und matschig sein können ohne infiziert zu sein. Und wenn ich diese Teile nicht entferne, dann ist das der Beginn einer guten Freundschaft zwischen Schimmel- oder anderen Pilzen und diesen alten Teilen. Und wenn man das Ganze dann noch relativ feucht hält, greift der Schadpilz auf den neuen Teil über.
Das ist auch so wenn beispielsweise bei Anacamptis morio durch vegetative Vermehrung bereits drei oder vier blühfähige Pflanzen entstanden sind. Dabei berühren sich praktisch alle alten und neuen Knollen noch, werden diese nicht getrennt und es wird weiter "fett"-kultiviert, fault dieser Haufen unter Garantie sehr schnell ab.

Ähnlich verhalten sich auch viele Cypripedien, stehen die Sprosse zu dicht und es wird immer fleißig nachgedüngt um die Horste noch zu verstärken, brechen sie irgendwann zusammen oder faulen aus.

Aber eigentlich hat mich das Thema Orchis mascula gerade etwas gepackt. Ich würde sie gerne über Aussaat vermehren und vorher noch etwas über die Kultur erfahren.

Berthold

Zitat von: Timm Willem am 04.Feb.12 um 12:52 Uhr
Wahrscheinlich sieht hier eine "optimale" Kultur, an der Langlebigkeit orientiert, anders aus als sie bei einer primär auf Zuwachs ausgerichteten Kultur aussehen würde.

Das auf jeden Fall.
Aber meine Beobachtunges stammen auch von einem Naturschutzgebiet am Flugplatz Höxter. Dort haben sich nach der Entbuschung sehr schnell Orchis mascula ausgebreitet und sind dann wieder verschwunden.
Über die Jahre zog sich so eine Frontwelle von Orchis mascula durchs Gelände, die auf ihrer Rückseite nur sehr wenige Einzelexemplare hinterlassen hatte.
Innerhalb der "Frontwelle" fand man bis 100 Sämlinge auf einem m², einer Fläche etwa so gross wie 3 Herdplatten.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Manne

ich meine, das die lebenszeit auch sehr vom individuum abhängt. da gibt es auch mal zehn jahre und mehr.
empfindlicher ist die o. siginifera. da habe ich bisher max. 6 jahre beobachtet.

Berthold

Zitat von: Timm Willem am 04.Feb.12 um 15:24 Uhr
Ich würde sie gerne über Aussaat vermehren und vorher noch etwas über die Kultur erfahren.

Sandiger Lehm, der etwas feuchter als bügelfeucht gehalten wird klappt praktisch immer im Garten. Im Topf geht natürlich Seramis/Neudohum bestens.

Vermutlich sind sie in der Natur deshalb kurzlebig, weil das jährliche Knollenwechseln die Bodenstruktur am Wuchsort zu Ungunsten verändert.
D. h., jährliches Umsetzen im Garten verlängert das Leben.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Uhu

Von einem Naturstandort, den ich über viele Jahre betreut habe, hatte ich den gleichen Eindruck wie Berthold von Höxter beschrieb. Dort ist vor 3 Jahren ein mascual albino aufgetaucht. 2010 dachte ich er sei nach 1-maliger Blüte schon wieder dahin. Er hat nur eine Pause gemacht und war 2011 wieder mit einem schönen Blütenstand da. Ich bin gespannt wie das weiter geht. Möglicherweise leben die Individuen am Standort länger als es auf den ersten BLick aussieht und machen zwischendurch nur mal eine Pause.

Im Garten kann man das einzelne Individuum besser beobachten als an einem Standort. Leider hat ist mir meine mascual nach 2 Jahren eingegangen. Ich würde sie an die ehemalige Stelle nicht noch einmal setzen. Nicht nur der Schneckenschutz war suboptimal.
Grüße Jürgen

Timm Willem

Zitat von: Manne am 04.Feb.12 um 15:28 Uhr
ich meine, das die lebenszeit auch sehr vom individuum abhängt. da gibt es auch mal zehn jahre und mehr.
empfindlicher ist die o. siginifera. da habe ich bisher max. 6 jahre beobachtet.
denke ich auch, wahrscheinlich leben etwas langsamer wachsende Individuen auch etwas länger

Timm Willem

Zitat von: Berthold am 04.Feb.12 um 15:31 Uhr
Vermutlich sind sie in der Natur deshalb kurzlebig, weil das jährliche Knollenwechseln die Bodenstruktur am Wuchsort zu Ungunsten verändert.
D. h., jährliches Umsetzen im Garten verlängert das Leben.

Meinst Du damit, die alte Knolle fault ab?

Claus

Zitat von: Timm Willem am 05.Feb.12 um 10:38 Uhr
Zitat von: Berthold am 04.Feb.12 um 15:31 Uhr
Vermutlich sind sie in der Natur deshalb kurzlebig, weil das jährliche Knollenwechseln die Bodenstruktur am Wuchsort zu Ungunsten verändert.
D. h., jährliches Umsetzen im Garten verlängert das Leben.

Meinst Du damit, die alte Knolle fault ab?

Na ja, sie wird ja noch ausgesogen zur Bildung des BT. Im Idealfall trocknet sie im Boden so vor sich hin und wird allmählich zersetzt. Wenn es aber sehr feucht ist kann ich mir vor allem in dichtem Lehmboden vorstellen, dass sie und die anhängenden Wurzeln auch faulen.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Berthold

Zitat von: Timm Willem am 05.Feb.12 um 10:38 Uhr
Zitat von: Berthold am 04.Feb.12 um 15:31 Uhr
Vermutlich sind sie in der Natur deshalb kurzlebig, weil das jährliche Knollenwechseln die Bodenstruktur am Wuchsort zu Ungunsten verändert.
D. h., jährliches Umsetzen im Garten verlängert das Leben.

Meinst Du damit, die alte Knolle fault ab?

Nicht abfaulen aber umwandeln in die neue Knolle. Dabei bleibt einiger Müll im Boden zurück, der letztendlich abfault.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)