B1 - Verhalten

Begonnen von winwen, 29.Nov.17 um 12:05 Uhr

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winwen

Liebe Forumianer,

nachdem ich im August 2016 ein Bittgesuch um saubere B1/A36-Proben ins Forum stellte, wurde ich rasch mit den Pilzen versorgt. Die folgende Aussaat gestaltete sich insoferne seltsam, als der Pilz sehr langsam anwuchs, danach Dactylorhiza fuchsii/maculata (unterschiedlicher Pflanzen) wohl gut keimte, jedoch erst nach über 2 Monaten Protokorme sichtbar wurden.
Ein zweiter Aussaatversuch heuer, den ich mit Proben aus Protokormen des vorangegangenen Versuches ansetzte, schien bedeutend rascher zu funktionieren (sichtbare Protokorme nach 3 Wochen), sieht aber aktuell nach versanden aus (seit 2 Wochen kaum mehr Wachstum - wohl zahlreiche Protokorme, aber nur wenige mit Triebspitzen).

Beim Ansetzen der Gläser fiel mir auf, dass sich der B1 nicht mehr so schön radial ausbreitet, sondern unregelmäßig. Auch fehlt mir die "fluffige" Pilzfront am Ausbreitungsrand, die ich früher immer hatte und die sich dann gelegt hat. Statt dessen scheint der Pilz jetzt im Zuge seiner Ausbreitung die Agar-Oberfläche temporär zu verflüssigen (wird später wieder fest!).
Schließlich klettert er dann doch die Glaswand hoch unter Bildung der üblichen, gut sichtbaren Hyphenknäuel.
Erstaunlicherweise reagiert ein frisch von der HOS gekaufter B1 exakt genauso.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies das Ergebnis frischer Kontaminationen wäre, zumal der B1 früher, auch wenn ich unter unsterilen Bedingungen geimpft habe, völlig anders angewachsen ist.
Das bekannte Muster von früher wäre: radiale Ausbreitung mit "fluffiger Pilzfront", etwa 1cm pro Tag von der Impfstelle weg, keine Verflüssigung der Medienoberfläche.

Wie wächst der B1 aktuell bei Euch an, wenn ihr Gläser damit beimpft?

Berthold

Zitat von: winwen am 29.Nov.17 um 12:05 Uhr
Statt dessen scheint der Pilz jetzt im Zuge seiner Ausbreitung die Agar-Oberfläche temporär zu verflüssigen (wird später wieder fest!).

Die Verflüssigung sieht mir nach einer bakteriellen Infektion aus.
Wenn der Pilz weiter wächst erzeugt er wieder so viel Antibiotika, dass sich die Bakterien zurück ziehen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Claus

Ich habe keine Unterschiede zu früher beobachtet. Zur Zeit sind meine beiden Pilze auch von der HOS. "Fluffig" fand ich die Front nie. Es bilden sich zwar in geringem Maße kurze Lufthyphen an der Front - stärker beim A36 - aber die zieht er beim Weiterwandern wieder ein. Meine Marmeladengläser von 7 cm Außendurchmesser, die mittig infiziert werden, brauchen bei 18°C 6-7 Tage, bis der Pilz den Rand erreicht hat.

Es gibt aber Absonderlichkeiten, die ich nicht klären konnte. Warum keimen auf einem von zwei Gläsern Spiranthes spiralis in wesentlich höherer Zahl als im andern oder dort gar nicht? Warum keimen Samen auf der einen Hälfte des Glases und nicht auf der anderen - im Dunkeln?

Wahrscheinlich gibt es noch Parameter, die wir nicht kennen und dies sich manchmal auswirken. Desinfizierst du die Samen, wie lange und womit?

So wie du das beschreibst ist dein Pilz wahrscheinlich nicht ganz sauber.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Niko

Ich kann das von Winwen beschriebene Verhalten voll bestätigen. Sowohl eigene ältere Rückstellproben als auch hier aus dem Forum neu erhaltener B1 zeigen exakt dieses Wachstumsmuster. In Clean- bench gearbeitet, auch in Gläsen ohne Samen zu beobachten  :ka

Gruß Niko

Berthold

Zitat von: Claus am 29.Nov.17 um 15:26 Uhr

Es gibt aber Absonderlichkeiten, die ich nicht klären konnte. Warum keimen auf einem von zwei Gläsern Spiranthes spiralis in wesentlich höherer Zahl als im andern oder dort gar nicht? Warum keimen Samen auf der einen Hälfte des Glases und nicht auf der anderen - im Dunkeln?

Wahrscheinlich gibt es noch Parameter, die wir nicht kennen und dies sich manchmal auswirken. Desinfizierst du die Samen, wie lange und womit?

So wie du das beschreibst ist dein Pilz wahrscheinlich nicht ganz sauber.

Hier gibt es auch sehr unterschiedliches Keimverhalten trotz scheinbar identischer Verhältnisse.

Ich erkläre mir das auch mit Verunreinigungen des Keimpilzes.
In einer Mischpilzkultur gewinnt mal der eine Pilz, mal der andere Pilz die Überhand im Glas. Dann spielen auch noch Bakterien mit, die die Pilzhyphen an manchen Stellen zerlegen.
So kommt es ganz undefiniert zu gutem oder schlechtem Keimverhalten, auch im selben Glas an unterschiedlichen Stellen der Oberfläche.

Manchmal bildet sich auch erst nach 4 oder 5 Wochen an einige Stelle des Glases sichtbarer Schimmel, was die Mischkultur bestätigt. Nur ist sie oft optisch nicht erkennbar, weil nicht alle Pilze sichtbare Hyphen bilden.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Claus

Es gibt natürlich noch ein anderes Problem: Die immer fortwährende Vermehrung nacheinander. Ich vermehre den Pilz etwa 3x pro Jahr. Immer wenn ich Gläser zur Aussaat oder zum Umlegen infiziere dann infiziere ich auch jeweils 3 Reagenzgläser mit Haferagar, die dann bei mir auf dem Schreibtisch stehen bleiben.

Falls nun der B1 oder der A36 nicht einheitlich ist, dann züchte ich mir durch diese Vermehrungen allmählich einen Pilz/ein Gemisch mit anderen Eigenschaften.

Schimmel habe ich in diesen Reagenzgläsern nie gehabt. Aber in Umlegegläsern vor allem dann, wenn ich die Aussaat ohne Desinfektion der Samen gemacht hatte, z.B. wenn ich nur winzige Samenmengen hatte. Oder weil die 4% H2O2, mit dem ich für symbiotische Vermehrung geeignete Samen desinfziere, nicht ausreichend sind.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Berthold

Zitat von: Claus am 29.Nov.17 um 19:03 Uhr
Es gibt natürlich noch ein anderes Problem: Die immer fortwährende Vermehrung nacheinander. Ich vermehre den Pilz etwa 3x pro Jahr. Immer wenn ich Gläser zur Aussaat oder zum Umlegen infiziere dann infiziere ich auch jeweils 3 Reagenzgläser mit Haferagar, die dann bei mir auf dem Schreibtisch stehen bleiben.

Falls nun der B1 oder der A36 nicht einheitlich ist, dann züchte ich mir durch diese Vermehrungen allmählich einen Pilz/ein Gemisch mit anderen Eigenschaften.

Man kann ja zur Vermehrung des Pilzes auch Proben nehmen aus Gläsern, in denen die Samen gut gekeimt wurden. Dann hat man eine Positivselektion des Pilzes.
Hast Du das mal ausprobiert, Claus?
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Claus

Zitat von: Berthold am 29.Nov.17 um 19:28 Uhr
Man kann ja zur Vermehrung des Pilzes auch Proben nehmen aus Gläsern, in denen die Samen gut gekeimt wurden. Dann hat man eine Positivselektion des Pilzes.
Hast Du das mal ausprobiert, Claus?

Ja, hab ich, mache ich nicht wieder. Da hatte sich dann erst nach längerer Zeit herausgestellt, dass ich mit den Samen Schimmel eingebracht hatte. Zum Glück hatte ich noch saubere Rückstellpilze.
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Berthold

Ja, das Risiko besteht. Man muss da mehrere Gläser impfen und beobachten, welche wirklich sauber bleiben.

Der Aufwand ist nicht unerheblich, aber es ist wohl der einzige Weg, um auf Dauer guten Keimpilz zu haben.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Uhu

Ich beimpfe neue Aussaatnährböden immer mit Protokormen ohne anhaftenden Nährboden aus sauberen Aussaaten. Das funktioniert recht gut. trotzdem habe ich oft bei der gleichen Aussaat unterschiedlich gut oder schlecht keimende Gläser - ohne einen grund dafür ausmachen zu können.
Grüße Jürgen

winwen

Zitat von: Berthold am 29.Nov.17 um 12:30 Uhr
Zitat von: winwen am 29.Nov.17 um 12:05 Uhr
Statt dessen scheint der Pilz jetzt im Zuge seiner Ausbreitung die Agar-Oberfläche temporär zu verflüssigen (wird später wieder fest!).

Die Verflüssigung sieht mir nach einer bakteriellen Infektion aus.
Wenn der Pilz weiter wächst erzeugt er wieder so viel Antibiotika, dass sich die Bakterien zurück ziehen.
Ich denke, das könnte es tatsächlich sein. Mittlerweile haben sich in allen Flaschen Regionen gebildet, in denen die Oberfläche sichtbar fest ist und solche, in denen sie flüssig geblieben ist. Die Protokorme in ersteren Regionen werden nun auch (wenngleich nicht so stark, wie es sein sollte) wieder gefördert. In zweiteren Regionen verbleiben sie, wie sie sind.

Frage wäre jetzt: Wie kriegt man den Pilz wieder sauber? Hilft es evt. was, wenn man für die nächste Impfung das Pilzgeflecht von der Glaswand nimmt oder wandern die Bakterien mit dem Pilz mit?

Berthold

Zitat von: winwen am 04.Dez.17 um 11:15 Uhr
Frage wäre jetzt: Wie kriegt man den Pilz wieder sauber? Hilft es evt. was, wenn man für die nächste Impfung das Pilzgeflecht von der Glaswand nimmt oder wandern die Bakterien mit dem Pilz mit?
Den Pilz von Bakterien zu reinigen ist sicher eine Arbeit für ein Profilabor. 
Man muss zuerst mit einem Antibiogramm geeignete Antibiotika ermitteln. Gewerbliche medizinische Labors machen das routinemässig.
Von meiner Blinddarmoperation wurde eine Probe im Antibiogramm untersucht. 2 Bakterienarten wurden mit 15 Antibiotika getestet. Auf eine Bakterienart wirkten 12 Antibiotika, auf die andere nur 2.

Ich würde einfach mehrere Gläser impfen mit Pilzmyzel, das möglichst weit entfernt von den flüssigen Stellen wächst und dann die Hyphenentwicklung beobachten.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Claus

Die Hyphen an der Glaswand dürften am ehesten geeignet sein.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

winwen

Ich danke für die Tipps und werde mich mal an der Glaswand zu schaffen machen. Danach dann evt. Windowing. Ich werde weiter berichten. Ich halte die Erhaltung des Pilzes in sauberem und potentem Zustand für das Wichtigste und Schwierigste im Zusammenhang mit symbiotischer Kultur. Ein gewisses Problem stellt bei mir noch die Überwinterung dar. Zuweilen scheint sich bei mir bei ein und tw. zweijährigen Pflanzen der Pilz in der Winterruhe über die Orchidee herzumachen. Ich muss das noch in den Griff kriegen. Ich schätze zuviel Stickstoff im Medium könnte ein Auslöser sein. Was meint ihr?

Berthold

Ja, die Reinhaltung des Keimpilzes ist wirklich essentiell.

Zitat von: winwen am 05.Dez.17 um 21:50 Uhr
Ich muss das noch in den Griff kriegen. Ich schätze zuviel Stickstoff im Medium könnte ein Auslöser sein. Was meint ihr?
Die meinst die Überwinterung in der symbiotischen Flasche auf Agar, oder?
Wenn Du maximal 3 g Haferflocken pro Liter Medium nimmst, kann nicht zu viel Stickstoff im Medium sein.
Wenn in der Winterruhe ein Pilz auftaucht, ist es vermutlich ein anderer Pilz, der sich ausbreiten kann, wenn der Keimpilz die Haferflocken verzehrt hat und schlapp macht.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)