Selbstaussaat im Garten

Begonnen von Berthold, 01.Okt.08 um 13:38 Uhr

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Berthold

Einige Orchideenarten säen sich auch im Garten aus, wenn entsprechende Bedingungen vorherrschen. Man kann sehr schön erkennen, wie sich die Mykorrhiza-Pilze, die die einzelnen Arten benötigen verhalten. Hier ein Beispiel von Orchis mascula:



Man sieht deutlich, wie sich ein Mykorrhizapilz um die Mutterpflanze herum konzentrisch ausbreitet und eine Samenkeimung ermöglicht. An den unterschiedlich gefärbeten Blättern der Jungpflanzen erkennt man, dass es sich nicht um vegetative Vermehrung sondern um echte Aussaat handelt. Das Pflanzencluster wächst so etwa 10 cm im Durchmesser pro Jahr, d.h. so schnell wächst der Mykorrhiza-Pilz im Boden. Wenn man Glück hat, ist mal ein ganz schwarzer (politisch korrekt ausgedrückt) dabei.
Die Jungpflanzen um die Mutterpflanze sterben nach ca. 2 Jahren wieder ab, wenn man sie nicht verpflanzt. Da herrscht also ein Mechanismus, der dafür sorgt, dass die Mutterpflanze nicht von den Jungen erdrückt wird.

Man muss etwas Glück haben, dass der Mykorriza-Pilz sich so schön gleichmässig im Boden ausbreitet. Das klappt nicht oft. Ausserdem darf kein anderer Pilz im Boden sein, der die gekeimten Sämlinge wieder auffrisst. Es gibt tatsächlich Stellen im Garte, wo Sämlinge gut keimen aber sofort wieder verschwinden und umgekehrt Stellen, wo noch nie was gekeimt hat aber eine per Hand hingesetzte Pflanze schon lange steht.   
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Berthold

Bei unserer heimischen Riemenzunge scheint sich ein geeigneter Mykorrhiza-Pilz ähnlich zu verhalten wie bei Orchis mascula.



Die Mutterpflanze steht allerdings schon 7 Jahre an diesem Platz direkt an der Hausmauer in reinem Dolomitschotter-Substrat völlig humusfrei. Allerdings hat sich in der obersten Bodenschicht durch herabfallende Blätter etwas Humus gebildet.
Erst jetzt nach 7 Jahren haben sich mehrer Sämlinge in unmittelbarer Nähe zur Mutterpflanze gezeigt.
Die Sämlinge haben an dieser Stelle nur geringe Überlebenschancen, weil der Standort extrem trocken und untypisch für Riemenzungen ist, die auf Halbtrockenrasen wachsen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Berthold

Geeignete Mykorrhizapilze für folgende Arten scheinen einigermassen gleichmässig in der Landschaft verteilt zu sein. Man erkennt das daran, dass diese Arten spontan an irgendwelchen Stellen keimen. Es sind bei mir im Garten:

Dactylorhiza maculata, praetermissa, fuchsii
Epipactis helleborine, palustris (im Kalksumpf)
Listera ovata
Spiranthes cernua
Ophrys apifera (selten)

Teilweise verschwinden die Pflanzen nach kurzer Zeit wieder, weil die Überlebensbedingungen für adulte Pflanzen nicht optimal sind. Das erklärt, warum oben erwähnte Arten nicht gleichmässig über ganz Deutschland in grösseren Stückzahlen verteilt sind. Ein stabiler Bestand etabliert sich nur dann, wenn die adulten Pflanzen bis zur Produktion neuer Samen am Standort existieren könne.

Das Keimen der Samen und das langfristige Überleben der adulten Pflanze scheinen also 2 von einander weitgehend unabhängige Randbedingungen zu erfordern.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Berthold

Kann das ein Cypripedium Sämling sein?



Es gibt da mehrere dieser Sämlinge in dem Bereich, in dem Cypripedien wachsen.
Zur Aussaat in Frage kommen calceolus und macranthum.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

dancer_m

Listera?!

Der Sämling ist für Cypris ein wenig untypisch, oder?  :ka
Grüßle Martin

Tobias

Das war auch mein erster Gedanke, Martin.

Berthold, ich habe hier zwei Listera- Sämlinge von Claus, ich mache Morgen mal ein Vergleichsfoto.

lg Tobias
Liebe Grüße
Tobias

Berthold

Ihr habt wohl leider recht. Das wird Listera ovata sein. Die gibt es sehr viel.
Das Blatt hat auch leichte Längsfaltungsrinnen.

Hätte ich eigentlich auch selber drauf kommen können, danke Euch.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Berthold

Ich war leider gestern Abend etwas unkonzentriert und habe mich täuschen lassen. Mehrere Sämlinge wachsen an der gleichen Stelle und sie haben mich verwirrt.

Dieser ist bestimmt ein Listera ovata Sämling




Aber dieser bestimmt nicht

er hat 3 Blätter und ist behaaart, also sicherlich ein Cypri, das sich tatsächlich selber ausgesät hat, in "reinem" sandigen Dolomitsplitt ohne optisch erkennbare humose Bestandteile. Allerdings gibt es auf der Oberfläche Anflug von  Pflanzenteilen. Die Ophrys-Keimpilze können offensichtlich auch nur in extrem humusarmen Substrat existieren, bzw. sich gegenüber anderen Pilzen/Mikroorganismen durchsetzen


Das ist ein Cypri calceolus in der Nähe zum Vergleich der Blattstruktur.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Timm Willem

Hallo Berthold,
bei meinen Schwiegereltern findet man immer mal ein paar Epipactis helleborine im Garten, die haben auch ein ähnliches Stadium.

Berthold

Zitat von: Timm Willem am 13.Mai.11 um 15:54 Uhr
Hallo Berthold,
bei meinen Schwiegereltern findet man immer mal ein paar Epipactis helleborine im Garten, die haben auch ein ähnliches Stadium.

ja, die gibt es hier auch, aber die sind eigentlich kahl, meine ich, während dieses Teil hier behaart ist.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

petra77

Hallo Berthold, was ist aus den Sämlingen geworden. Hast Du sie einfach an der Aussaatstelle stehen lassen oder gab es eine Sonderbehandlung?
Zurzeit habe ich 8 Sämlinge gezählt, würde Ihnen aber auch was "Gutes" tuen, aber was? Oder einfach sich selbst überlassen?

LP Petra

Berthold

Petra, ich habe 2 stehen lassen und einen in einen in den Topf geholt.
Alle sind inzwischen wieder verschwunden.
Die Aussaatstelle war wohl eine Stelle, wo ein passender Keimpilz wachsen kann, die jedoch für das weitere Leben der Art ungeeignet ist, hier wohl in manchen Jahren zu trocken.
Vermutlich existiert am Naturstandort ein anderer Pilz, der auch den Samen keimen kann, jedoch mit langjährig feuchten Bedingungen besser zurecht kommt.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

petra77

OK, dann werde ich die Sämlinge einfach in Ruhe lassen, mal sehen was kommt. Habe 8 Holzstäbchen zum markieren genommen. 
Bei uns hat es in den letzten Tagen gut geregnet, da werden die Pilze auch ernährt. Werde weiter berichten.

LG Petra

Berthold

Zitat von: petra77 am 02.Jun.15 um 10:32 Uhr

Bei uns hat es in den letzten Tagen gut geregnet, da werden die Pilze auch ernährt. 

LG Petra
Ja, insbesondere solltest Du giessen, wenn es hier längere Zeit nicht regnet und die Sonne den Boden austrocknet. Die Kleinen können sehr leicht vertrocknen, wenn die obere 4 cm Bodenschicht austrocknet, da ihre Wurzeln noch nicht tief im Boden stecken
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

petra77

Danke Berthold, werde darauf achten.