Platanthera bifolia auf B1

Begonnen von winwen, 03.Okt.11 um 16:58 Uhr

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Uhu

Zitat von: Claus am 12.Apr.12 um 13:44 Uhr

Ich bin aber noch auf keinen Pilz getroffen, der grundsätzlich andere als die uns bekannten Gattungen keimt, insbesondere keine Ophrys, echte Orchis und Cypripedien. Dass dieses Thema so schwierig ist, zeigt auch die Tatsache, dass keiner der von Roman aus Cypripedien isolierten Pilze Cypripedien keimen lässt.


Claus, ich befürchte das neben den genannten Gattungen auch A.pyramidalis nicht zur Keimung zu bringen war oder hattest Du da irgendeinen Erfolg?

Hier geht ja um Keimung und Entwicklung von Plat.bifolia. Hat von Euch jemand mal Pl.chlorantha auf B1 zur Keimung gebracht?
Grüße Jürgen

Berthold

Zitat von: Uhu am 15.Apr.12 um 15:31 Uhr
Hier geht ja um Keimung und Entwicklung von Plat.bifolia. Hat von Euch jemand mal Pl.chlorantha auf B1 zur Keimung gebracht?

ich habe mit Plat. chlorantha Misserfoge gehabt, aber das lag wahrscheinlich an einem verunreingten Pilz, denn wenn Plat. bifolia keimt, muss Plat. chlorantha auch keinmen. Davon bin ich fest überzeugt.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Uhu

Ich hatte auch 1x ohne Erfolg ausgesät. Das war aber in den Anfängen, eine meiner ersten Aussaaten auf B1. Da können auch andere Gründe zum Misserfolg geführt habe. Werde dieses Jahr nochmal einen Versuch starten. Ich hoffe es tritt hier kein "pyramidalis-Effekt" auf.
Grüße Jürgen

Claus

A. pyramidalis hatte ich mehrfach mit B1 versucht zum Keimen zu bringen, in keinem Fall hat das geklappt. Ich habe schon einmal vermutet, dass pyramidalis gar keine Anacamptis ist und dass der Pilz es eben besser weiß als die Namensgeber.

Im Gegensatz zu Pl. bifolia keimte chlorantha bei mir auch nie.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

winwen

#34
Das ist eine wirklich, wirklich interessante Frage.
Ohne es gemacht zu haben, würde ich das wie Berthold sehen. Zumindest vom genetischen her sollte es nichts geben, was dagegen spricht. Aufgrund von DNA-Analysen konnte man bis etwa 2000 nichteinmal einen genetischen Unterschied zw. bifolia und chlorantha festmachen, der die beiden unterschieden hätte. Vom Phänotyp her ist die Sache jedoch klar. Der kleine Unterschied der auseinanderstehenden Pollinien bewirkt angeblich sogar unterschiedliche Bestäuber. Vielleicht in der Folge auch leicht unterschiedliche Standorte/Blütezeit und im Endeffekt auch einen gewissen Evolutionsdruck, sich eventuell anderen Symbionten zuwenden zu müssen. Gewissermaßen eine Art evolutionärer Dominoeffekt.

Wie auch immer: Im Bereich Platanthera/Habenaria bin ich sicher, dass sich noch zahlreiche Spezies mit dem B1 vermehren lassen. Dieter hat seinerzeit Habenaria dentata erfolgreich auf B1 gezogen. Mit etwas Glück ist heuer P. metabifolia dran, auch P. japonica wäre interessant - vorausgesetzt, ich komme an Samen.

Im Übrigen: was Anacamptis pyramidalis betrifft, hat Claus grundsätzlich recht: http://sfo.normandie.free.fr/pdf/JEO40-3-501.pdf besagt, dass die Tatsache, dass A. pyramidalis noch bei Anacamptis ist, weniger genetische Gründe hat, als mehr formale. So, wie ich es verstanden habe, scheint die gepflogene vorgegebene Art, immer baumartige Strukturen hervorbringen zu müssen, dazu zu führen, dass bestimmten genetischen Fakten nicht hinreichend Rechnung getragen werden kann. Dadurch kommt es u.U. zu Zuordnungen, die die saubere Baumstruktur wohl erhalten, jedoch genetischen Zusammenhänge verfälschen.

So, wie es im Artikel dargestellt wird, kommt es dem, was der B1 "sieht" schon erstaunlich nahe (von P. chlorantha mal abgesehen) ;-)

winwen

Ein kurzes Update....
Vor 9 Wochen wurde auspikiert, jetzt sieht es so aus, wie am Bild dargestellt.

Zur seinerzeitigen Frage von Berthold (ob in so fortgeschrittenem Protokormstadium der B1 überhaupt noch einen positiven Einfluss haben kann auf die weitere Entwicklung der Sämlinge) würde ich vorschlagen, dass ich dies bei meinen heurigen Aussaaten überprüfen werde, indem ich von einer bestimmten Spezies (Vorschlag: Dactylorhiza maculata) einen Teil so auspikieren werde wie hier gezeigt und einen anderen Teil mit gleicher Imprägnierungslösung in reines (doppelt gesiebtes) Perlite.

Im Perlite gäbe es dann keinerlei Kohlenstoffquelle (außer dem CO2 der Luft, das der Pilz aber nicht assimilieren kann mangels Chlorophyll und den Orchideen selbst), sodass der Pilz nur auf Kosten der Orchideen wachsen könnte - also: die Orchidee vom Pilz nicht profitieren kann. Wenn die Sämlinge annähernd gleich gutes Wachstum zeigen wie im anderen (holzbasierten) Substrat, halte ich Bertholds These für bewiesen. Wenn nicht, so ist klar, dass eine Kohlenstoffquelle im Substrat erforderlich ist, zumindest um den Pilz "bei Laune" zu halten.

Wie wär's, Berthold?

Berthold

Zitat von: winwen am 11.Jun.12 um 12:51 Uhr

Wie wär's, Berthold?


Wie verhaelt sich der B1, wenn er keine Zellulose oder Staerke mehr im Substrat findet? Stirbt er ab, schaedigt er sogar die Orchidee oder konkurriert er mit der Orchidee um die anorganischen Naehrstoffe im Substrat?
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Claus

Was ist denn der Grund für das mittelfristige Absterben der Sämlinge auf B1, wenn sie nicht rechtzeitig umgelegt werden?

Der Haferagar enthält ja nur ca. 1/8 der Nährstoffe im Vergleich zu asymbiotischem Nährboden mit 20 g/l Zucker. Also ist die Haferstärke durch den Pilz rasch verbraucht. Das kann man nur mit einem Trick verhindern, wenn man sehr viel Nährboden vorlegt und somit die Schichtdicke größer ist als der Pilz eindringen kann. Er kann es wegen Sauerstoffmangels in der Tiefe nicht. Aber Pilzenzyme dringen wegen ihrer geringeren Größe in die Tiefe vor, spalten dort die Stärke, und der gebildete Zucker diffundiert allmählich auch in die oberen Bereiche bzw. ernährt direkt die Sämlinge, falls sie mit ihren Wurzeln inzwischen diese Tiefe erreicht haben. So gelingt es oft, Sämlinge ohne Umlegen bis zum Auspikieren zu kultivieren. Ich hatte eine D. praetermissa 4 Jahre in einem hohen  Glas gehalten und habe sie nur deshalb heraus genommen, weil die immer größer werdenden Blätter gegen den Deckel stießen. Die Nährstoffe wurden offenbar von der immer größer werdenden Rübe recycelt. Aber der Pilz lebte immer noch und war vermehrungsfähig.

Was passiert im Normalfall? Der Pilz hat dann nach 6 oder 8 Wochen - je nach Temperatur - die vorhandene Stärke verbraucht. Der Sämling aber hat in seinem Protokorm inzwischen Stärke angesammelt - das ist ja bewiesen worden. Der Sämling ist ja aber nur ein Nebenprodukt bei der Vermehrung des Pilzes, es ist sicher nicht Absicht des Pilzes, nebenbei so ein paar Parasiten zu ernähren.

Sobald Stärke bzw. Zucker verbraucht sind, muss das Wachstum des Sämlings stoppen, d.h. er erhält keine Nährstoffe mehr, allenfalls der Abfall der Pilzvermehrung reicht noch für einige Zeit. Manchmal überleben einige wenige Sämlinge auch nach langer Zeit noch in ,,vergessenen" Gläsern. Aber sie bleiben in schlechtem Zustand, selbst wenn man sie noch einmal umlegt.

Die Aktivität des Pilzes richtet sich dann auf die Stärke in den Protokormen, und da die Sämlinge nicht mehr ernährt werden ist der Widerstand kurz, sie werden parasitiert.

So jedenfalls ist meine Vorstellung.

Auch wenn keine Nährstoffe mehr im Boden sind stirbt der Pilz nicht ab. Zumindest im Kühlschrank überlebt der B1 mehr als 3 Jahre auf 5 ml Hafernährboden im Reagenzglas.

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winwen

Nachdem ich also vor ziemlich genau 11 Monaten diesen Thread begonnen hatte mit der Absicht zu überprüfen, ob der B1 Platanthera bifolia bis zur Pikierfähigkeit fördert, möchte ich nun zum Schluss die Ernte präsentieren.
Ich denke, man kann sagen: P. bifolia geht wirklich sehr gut mit dem B1.
Vielleicht noch eine Anmerkung zu der zuletzt entstandenen Diskussion, wieviel der B1 eigentlich noch zur Wohlfahrt der Orchideen beiträgt, nachdem sie -als Großprotokorme- pikiert worden sind:
Vielleicht am Anfang, nach dem Austrieb hilft er noch etwas. Später dann -und das sieht man deutlich an der Größe der Rüben jener Pflanzen, die ihr Grün aufgrund von Infektionen zu früh verloren haben- trägt er wahrscheinlich kaum mehr etwas bei.
Leider haben Pilzinfektionen das Grün einiger Pflanzen erfolgreich angegriffen. Ich würde gerne nächstes Jahr, wenn es wieder so einen Thread (dann allerdings mit Platanthera metabifolia und Dactylorhiza aristata) geben wird, versuchen, die Pflanzen gleich in einem nicht geschlossenen oder mit Plastiksackerl behaubten Gefäß austreiben zu lassen, nachdem die pikierten Protokorme den Winter am Fuße einer überdachten Kellertreppe nicht frostfrei, jedoch bei gedämpften Minustemperaturen verbracht haben.
Eine Bemerkung noch: ich denke, das Pikiersubstrat ist wirklich OK. Evt. werde ich nächstes Jahr (so, wie Dr. Beyerle) eine Mischung aus 40% Perlite und 60% Toresa Protect versuchen (75% Holzfaser 25% Grüngutkompost).
Anbei 2 Bilder: die 11 Monate alten Platantheren und - zum Größenvergleich: 12 Monate alte Dactylorhiza maculata, ebenfalls aus eigener Aussaat.

Claus

Da kann man wirklich nicht meckern. Herzlichen Glückwunsch.

Ich habe nach dem Auspikieren auch häufig Pilzinfektionen der Blätter und will versuchen, diese mit 0,15% Previcur vorbeugend zu spritzen.Ob das auch im Freiland funktioniert?
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

winwen

Vielen Dank, Claus!
Ja, ich hoffe inständig, dass es gelingt, diese Pilzinfektionen mit pragmatischen Mitteln in den Griff zu bekommen. Insbesondere deshalb, da die Alternative zum frühzeitigen Auspikieren ins Obi-Beet bei symbiotischen Kulturen, nämlich bis zur 2. Winterruhe im sterilen Glas zu belassen, doch deutlich aufwändiger ist und die Rüben eigentlich nicht noch größer werden könnten, als sie es so schon sind.

winwen

#41
Zitat von: winwen am 06.Sep.12 um 10:45 Uhr
Vielen Dank, Claus!
Ja, ich hoffe inständig, dass es gelingt, diese Pilzinfektionen mit pragmatischen Mitteln in den Griff zu bekommen. Insbesondere deshalb, da die Alternative zum frühzeitigen Auspikieren ins Obi-Beet bei symbiotischen Kulturen, nämlich bis zur 2. Winterruhe im sterilen Glas zu belassen, doch deutlich aufwändiger ist und die Rüben eigentlich nicht noch größer werden könnten, als sie es so schon sind.
Gesagt-getan:
Die Pflänzchen der letzten Aussaat (Oktober 2012 - allesamt noch OHNE Grün) wurden allesamt VOR der Winterruhe in ein Obibeet pikiert und mit Deckel verschlossen überwintert. Vor dem Austrieb (Anfang April) wurde der Deckel entfernt, sodass die ersten grünen Blätter gleich ins Feie wuchsen.
Das Ergebnis ist wesentlich besser: 91 von 92 Pflänzchen sind ausgetrieben, bisher keine Infektionen (da kein Kondenswasser im Obibeet). Es sind auch keinerlei Blätter vertrocknet (so, wie dies der Fall ist, wenn die Blätter im geschlossenen Obibeet austreiben und selbiges nachher geöffnet wird).
Ich schließe daraus, dass -bei geschicktem Timing der Winterruhe- bei nicht wintergrünen Arten kein Schutz der Pflanzen vor Vertrocknung unmittelbar nach dem Austrieb notwendig ist.


Uhu

letztes Jahr hab ich relativ spät eine Aussaat von Pl. bifolia gemacht. Später hatte ich keine Zeit mehr mich drum zu kümmern und die Gläser an einem kalten absonnigen Fenster vergessen. Einige haben den Sommmer überlebt und bringen Neutriebe für die nächste Saison. Wenn sie den Winter überleben werde ich im März/April in Substrat pikieren.
Grüße Jürgen