Bulbophyllum psychoon und Co.

Begonnen von plantsman, 18.Jan.12 um 15:17 Uhr

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plantsman

Moin,

habe gerade mal wieder ein altes Heft des "Journal für den Orchideenfreund, 13 (1), 2006" in den Händen gehabt und was sehe ich auf S. 59 - 62..... das ist doch "mein" Bulbophyllum psychoon. Familie Averyanov behandeln dort aber die Art B. lockii.
Da hab ich doch gleich mal im Netz ein wenig gestöbert und wenn ich mir die Bilder ansehe, scheint es ein ziemliches durcheinander zu geben. B. psychoon soll aus Assam kommen (laut Reichenbach in seiner Erstbeschreibung), B. lockii ist aber aus Nord-Vietnam. Man findet Pflanzen als B. psychoon mit Herkunft Vietnam abgebildet aber auch welche, die viel längere laterale Sepalen haben, was Reichenbach´s Beschreibung "lanceo-acuminat" entsprechen würde.
Zwischen Assam und Vietnam gibt es schon eine ordentlich Verbreitungslücke, die aber, wie sollte es anders sein :weird, von der Art B. levinei geschlossen wird. Für sie gibt es auch noch den Namen B. insulsum. Diese hat für mich nur einfach rötlichere Blüten.
Hat jemand von euch einen Überblick und kann die Arten "aufschlüsseln" oder sollte man irgendeinen Fach-Botaniker mal anhauen und ihn fragen, ob er nicht alle unter B. psychoon (wenn das der älteste Name ist :ka) subsummieren kann.
Leider hab ich kein Bild von der bisher einzigen Blüte meines Pflänzchens.
Tschüssing
Stefan

Mr. Kaizer

Zitat von: plantsman am 18.Jan.12 um 15:17 UhrHat jemand von euch einen Überblick und kann die Arten "aufschlüsseln"...

Naja... Überblick wäre jetzt sehr optimistisch ausgedrückt.  :-D

B. psychoon:
http://www.orchidspecies.com/orphotdir/bulbpsychoon.jpg
http://www.flickr.com/photos/ericinsf/5419881757/
http://1.bp.blogspot.com/_nH6LcEsGo28/Smi-KiTg4mI/AAAAAAAAAIU/zQAR4kvDu4s/s400/_DSC3249.jpg

B. lockii scheint das hier zu sein:
http://www.rv-orchidworks.com/orchidtalk/orchids-other-genera-bloom/22670-bulbophyllum-no-identification.html
Andere Bilder finde ich zumindest nicht und den Artikel kenne ich auch nicht. (Glaube ich.)

Die beiden Pflanzen scheinen sich tatsächlich sehr ähnlich zu sein. Synonym oder nicht, das ist hier die Frage... Ich kann es nicht beurteilen.

B. levinei (alias insulsum) passt auch ganz gut in diesen Formenkreis. Ja, wahrscheinlich sind das alles nah verwandte Arten oder Formen. Sind sie gut voneinander abgegrenzt oder gibt es fließende Übergänge? Wer weiß das? Vielleicht nicht einmal die Botanikspezies.

Fragen wir mal anders herum:
Welcher Pflanze entspricht denn dein "psychoon" auf den ersten Blick am ehesten?

plantsman

#2
Moin,

danke für Deine Antwort. Bei Deinen Links (Flickr) ist nun genau die Pflanze dabei die ich auch gefunden habe. Sie wird als B. psychoon bezeichnet, müsste aber eigentlich B. lockii oder B. levinei sein, weil sie aus Vietnam ist/sein soll :wacko.
In der Flora of China wird nämlich für B. levinei auch Vietnam als Verbreitung angegeben. Beim Vergleich der Beschreibung dort mit der von B. lockii im JdfO finde ich kaum Unterschiede. Die Länge des Blütenschaftes, bei levinei länger als die Blätter, lockii höchstens so lang (jedenfalls nach der dortigen Zeichnung), ist das einzige Merkmal das ich finden konnte. Alles andere (Bulbenform, Bulbengröße, Blattgröße, Blütenstand, Blütengröße und -färbung) ist fast identisch. Da die Averyanows ihre Art nur mit anderen aus Vietnam beschriebenen Arten vergleichen, haben sie die deutlich ähnlicheren übersehen. Man sollte auch mal über den Tellerrand gucken :whistle.
Bei allen drei Arten werden die gesägten Petalen und die schiefen, basal etwas "ausgesackten" lateralen Sepalen erwähnt oder sogar hervorgehoben. Leider wird nur bei Averyanow das mehrmalige Blühen aus einer Bulbe beschrieben, Reichenbach deutet es aber an.
Hier noch mal die Erstbeschreibung von B. psychoon.

Das einzige Bild, das meiner Pflanze fast 100%ig entspricht, ist das im Journal. Meine hat auch mehrere alte Inflos an der Bulbe und unterseits violette Blätter. Für eine Pflanze mit einem derartig großen Verbreitungsgebiet wären die Unterschiede der drei Arten aber meiner Meinung nach unerheblich. Man muss wohl eindeutig gesicherte Herkünfte vergleichen um sicher zu sein.

Wenn man so will, habe ich B. lockii, wenn meine Pflanze aus Vietnam ist und kurze Blütenstände hat, sie ist B. levinei wenn sie ebenfalls von dort (oder China) ist aber etwas längere Blütenstände ausbildet und sie ist B. psychoon, wenn sie aus Assam wäre. Herkunft als Bestimmungsmerkmal...... wie schwach grins
Tschüssing
Stefan

Makatura

Ich denk auch das die einfach sehr nah verwandt sind Unterschiede sind ja schon zu erkennen. Schau dir mal B. guttulatum und B. umbellatum an die haben auch die ähnliche Blütenform daran läßt sich ableiten das die sich vor ein paar Tausend Erddrehungen mal aufgespalten haben. Die sind ja alle im Asiatischen Gebiet heimisch denk das die Leute die auch wo anderes verwildert haben wie wir uns Amerikanische Laubbäume in den Garten setzten.
Bäume sind Gedichte die die Erde in den Himmel schreibt. Ghandi; Nachtrag von Khalil Gibran, Wir fällen sie nieder und verarbeiten sie zu Papier um unsere Leere zu dokumentieren.

plantsman

Moin,

in diesem Sinne halte ich es mit einem Botaniker, der einmal sagte: "es kommt nicht darauf an, was zwei Pflanzen unterscheidet, sondern was sie gemeinsam haben". Ich würde mich nicht unbedingt als "Lumper" bezeichnen, aber wir achten insgesamt viel zu viel auf kleine Unterschiede, die sich auf ein Gesamtgebiet bezogen, als unwichtig entpuppen (könnten). Wir gestehen den Orchideen, aus welchen Gründen auch immer (viel zu oft kommerzielle oder egomanische), zu wenig Variabilität zu und sollten viel mehr mit den Kategorien Subspezies oder Varietät arbeiten.
Tschüssing
Stefan

Makatura

Genau der Meinung bin ich auch wo ist var. und ssp. also die Pfalnzen haben es auf jeden verdient. Also obwohl es schwieriger ist ist es weit aus besser aufgeschlüsselt bei den Gräsern (Poaceae).
Bäume sind Gedichte die die Erde in den Himmel schreibt. Ghandi; Nachtrag von Khalil Gibran, Wir fällen sie nieder und verarbeiten sie zu Papier um unsere Leere zu dokumentieren.

orchitim

#6
Zitat von: plantsman am 08.Apr.12 um 01:16 Uhr
Moin,

in diesem Sinne halte ich es mit einem Botaniker, der einmal sagte: "es kommt nicht darauf an, was zwei Pflanzen unterscheidet, sondern was sie gemeinsam haben". Ich würde mich nicht unbedingt als "Lumper" bezeichnen, aber wir achten insgesamt viel zu viel auf kleine Unterschiede, die sich auf ein Gesamtgebiet bezogen, als unwichtig entpuppen (könnten). Wir gestehen den Orchideen, aus welchen Gründen auch immer (viel zu oft kommerzielle oder egomanische), zu wenig Variabilität zu und sollten viel mehr mit den Kategorien Subspezies oder Varietät arbeiten.

Wo beginnt das und wo endet das. Ich kann mich an die Zeit der Daneshs erinnern, haben sehr viele vars und ssp von mediterranen Ophrises beschrieben. Wie war das Geschrei der "selbsternannten Taxonomen" in den Heften der DOG groß, von wegen Geltungssucht. Bei vielen hat sich im nachhinein eine Berechtigung für einen taxonomischen Rang aufgezeigt, sie hatten einen regional abweichenden Bestäuber aus einem Verwandschaftskreis. Und nur darin sehe ich die Berechtigung für eine taxonomische Abspaltung nicht in ein paar cm längeren Lappen.
Man schaue sich nur den Schwachsinn mit den alba und semialba usw. an. Ich glaube, ich habe es schon mehrfach geschrieben hier, das sind Defekte im Erbaterial. am natürlichen Standort werden sie untergehen weil sie vom Bestäuber nicht angenommen werden und somit auch keine Vermehrung erfolgt. Selbst eine zufällige Bestäubung bringt nur einen etwas verlängerten Zeitraum der Existenz des Defektes in verschiedenen Ausprägungen mitsich. Mit etwas Wohlwollen könnte man es noch als Spielformen der natur auf dem Artfindungsweg bezeichnen, quasi als Halbfertig-Produkt, aber diesem einen taxonomischen Rang zu geben hat keine Berechtigung. Und deren Auffinden in gehäufter Zahl ist nur den Möglichkeiten unserer Zeit zu verdanken, wir produzieren aus einer Kapsel nahezu unbegrenzt Nachkommen und wir finden heute unmengen mehr Kapseln am Standort wo man früher mit Eselt und Träger Wochen und Monate brauchte und bis man zurück war, war auch die Kapsel hin.
Diskutiere niemals mit Idioten. Sie holen dich auf ihr Niveau und schlagen dich dort mit Erfahrung.

Berthold

Zitat von: orchitim am 08.Apr.12 um 23:59 Uhr
Ich kann mich an die Zeit der Daneshs erinnern, haben sehr viele vars und ssp von mediterranen Ophrises beschrieben. Wie war das Geschrei der "selbsternannten Taxonomen" in den Heften der DOG groß, von wegen Geltungssucht. Bei vielen hat sich im nachhinein eine Berechtigung für einen taxonomischen Rang aufgezeigt, sie hatten einen regional abweichenden Bestäuber aus einem Verwandschaftskreis. Und nur darin sehe ich die Berechtigung für eine taxonomische Abspaltung nicht in ein paar cm längeren Lappen.

Aber die Daneshs habe auch weit überzogen. Aus dem Bestäuber sollte man nämlich auch nicht auf die Art schliessen. Denn die tierischen Bestäuber lernen viel zu schnell dazu oder um im Vergleich zur Generationenfolge der Ophrys zum Beispiel.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

orchitim

Zitat von: Berthold am 09.Apr.12 um 00:26 Uhr
Zitat von: orchitim am 08.Apr.12 um 23:59 Uhr
Ich kann mich an die Zeit der Daneshs erinnern, haben sehr viele vars und ssp von mediterranen Ophrises beschrieben. Wie war das Geschrei der "selbsternannten Taxonomen" in den Heften der DOG groß, von wegen Geltungssucht. Bei vielen hat sich im nachhinein eine Berechtigung für einen taxonomischen Rang aufgezeigt, sie hatten einen regional abweichenden Bestäuber aus einem Verwandschaftskreis. Und nur darin sehe ich die Berechtigung für eine taxonomische Abspaltung nicht in ein paar cm längeren Lappen.

Aber die Daneshs habe auch weit überzogen. Aus dem Bestäuber sollte man nämlich auch nicht auf die Art schliessen. Denn die tierischen Bestäuber lernen viel zu schnell dazu oder um im Vergleich zur Generationenfolge der Ophrys zum Beispiel.

Das mag für andere Arten gelten, aber ganz sicher nicht für Täuscherblumen.
Diskutiere niemals mit Idioten. Sie holen dich auf ihr Niveau und schlagen dich dort mit Erfahrung.

Berthold

Zitat von: orchitim am 09.Apr.12 um 00:37 Uhr
Zitat von: Berthold am 09.Apr.12 um 00:26 Uhr
Zitat von: orchitim am 08.Apr.12 um 23:59 Uhr
Ich kann mich an die Zeit der Daneshs erinnern, haben sehr viele vars und ssp von mediterranen Ophrises beschrieben. Wie war das Geschrei der "selbsternannten Taxonomen" in den Heften der DOG groß, von wegen Geltungssucht. Bei vielen hat sich im nachhinein eine Berechtigung für einen taxonomischen Rang aufgezeigt, sie hatten einen regional abweichenden Bestäuber aus einem Verwandschaftskreis. Und nur darin sehe ich die Berechtigung für eine taxonomische Abspaltung nicht in ein paar cm längeren Lappen.

Aber die Daneshs habe auch weit überzogen. Aus dem Bestäuber sollte man nämlich auch nicht auf die Art schliessen. Denn die tierischen Bestäuber lernen viel zu schnell dazu oder um im Vergleich zur Generationenfolge der Ophrys zum Beispiel.

Das mag für andere Arten gelten, aber ganz sicher nicht für Täuscherblumen.

nein, ich meine nur Täuscherblumen. Im Speziellen gilt es für Ophrys, die klassische europäische Sexual-Täuscher-Orchidee.
Wie es bei Täuscherblüten von Orchideen aus anderen Teilen der Welt ist, weiss ich nicht. Möglicherweise sind deren Blüten viel spezifischer als die Ophrys.

Bei den Ophrys ist es sogar nachgewiesen, dass die Insekten die Variationsbreite der Art fördern.
Siehe hier: http://www.orchideenkultur.net/index.php?topic=148.0
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

plantsman

Moin,

der Beginn und das Ende...... das ist doch die Gretchenfrage der Taxonomie. Das schöne ist, jeder kann für sich selbst entscheiden, wo für ihn die Taxa anfangen und aufhören und welche er anerkennt oder nicht. Die "offiziell" anerkannten Namen sind oft genug nur Konsensentscheidungen der Fach-Botaniker, mit Abstufungen, wieviele von ihnen für oder wider eine Art oder Gattung gestimmt haben. Es ist auch eine Glaubensfrage, ob man ein Taxon morphologisch, biologisch oder genetisch definiert. Am besten ist es sicher, diese drei Richtungen zu kombinieren. Trotzdem wird man nie zu einem Ende kommen, weil alles immer im Fluss ist.
Farbformen als Varietäten oder sogar Subspezies zu behandlen ist natürlich Quatsch. Wenn sie aber ein deutliches Areal besiedeln, sieht es wieder anders aus. Sich ähnelnde Arten aus unterschiedlichen Gebieten einer Großregion mit geringen morphologischen Unterschieden, wenn diese tendenziell konstant sind, als Subspezies einer Art, z.B. Bulbophyllum psychoon s. l., zu behandeln hat meiner Meinung nach was für sich.

Leider kann man die Organismen nicht über einen Kamm scheren, was für Ophrys in Europa gilt, muss für Bulbophyllum in Südost-Asien noch lange nicht gelten. Die Auslesekriterien und ökologischen Bedingungen sowie die genetische Ausstattung der einzelnen Taxa bevorzugen bei der einen Gruppe andere Merkmalsausprägungen als bei der Anderen und sollten stets neu bewertet werden.
Wenn ich mir die von mir oben genannten Bulbophyllum-Arten genauer Ansehe und die Beschreibungen vergleiche, gibt es keine Anhaltspunkte, von konvergenter Entwicklung auszugehen. Fast sämtliche Merkmale der genannten Arten stimmen überein und es sind nur Details der Blüten, die sie Unterscheiden. Diese haben für mich zu wenig Bedeutung, da es sich hauptsächlich um quantitative Merkmale handelt, die auch noch in einem gewissen Spielraum Überschneidungen zeigen. Ausserdem folgt ihr Verbreitungsbild der Ausrichtung der Berge des östlichen Himalaja von Assam nach Vietnam. Für mich habe ich entschieden, bis mir jemand das Gegenteil beweisen kann, die Art Bulbophyllum psychoon zu nennen (Synonyme: B. locii*, B. levinei, B. insulsum; *bei Kew B. locii, im "JfdO" B. lockii genannt).
Tschüssing
Stefan

orchitim

Das ändert nichts daran das es für die Beschreibung einer neuen Art klare Regeln giebt, ebenso für var. etc.. Man wird gerade bei Orchideen, für Kakteen und Bromelien gilt diese aber ebenso, so gut wie keine solche vars. wie alba oder semi-etc. von einem gestandenen Taxonomen finden. Aber weil sich ebenda sehr viele Hobby-Botaniker tummeln artet sowas nicht selten in einer Geltungsorgie aus. Und leider finden sich auch manche darunter die beruflich zwar keine systematische Botanik als Berufsbild haben, sich aber als solche gerieren. Das wäre genauso als wenn ich als angelesener Erneuerbarene Energieäksbärte, Berthold erklären würde wie man Kraftwerke konzipiert.
Diskutiere niemals mit Idioten. Sie holen dich auf ihr Niveau und schlagen dich dort mit Erfahrung.